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mein inneres Auge, die sich dem Gedächtnis so lebhaft eingeprägt haben, daß ich dieselben noch heute an mir vorüberziehen lassen kann. Unter anderen Umständen hätte ich des Doktors Schilderungen nicht so deutlich erfaßt und behalten – man vergißt ja Gehörtes und Gelesenes so leicht – aber das Erzählte machte mir damals fast den Eindruck von Miterlebtem. Ich war in einem Zustand hochgradiger Nervenanspannung und Erregtheit; der fixe Gedanke an Friedrich, der sich meiner bemächtigt hatte, bewirkte, daß ich bei jeder der geschilderten Scenen mir Friedrich als beteiligte Person vorstellte, und so sind sie mir wie selber durchgemachte schmerzliche Erfahrungen im Geiste haften geblieben. In der Folge habe ich die von dem Regimentsarzt mitgeteilten Ereignisse in die roten Hefte eingetragen – so, als hätten sie sich vor meinen eigenen Augen abgespielt.

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Die Ambulance ist hinter einem schützenden Hügelrücken aufgerichtet worden. Drüben tobt die Schlacht. Der Boden zittert und es zittert die glühende Luft; Dampfwolken steigen auf, die Geschütze brüllen … Jetzt heißt es, Patrouillen ausschicken, welche sich auf die Kampfplätze begeben, um die Schwerverwundeten aufzulesen und hierherzubringen. Gibt es etwas heldenhafteres, als solchen Gang mitten in den summenden Kugelregen hinein, an allen Schrecken des Kampfes vorüber, allen Gefahren des Kampfes ausgesetzt – ohne selber dessen wildem Rausche sich hingeben zu dürfen? Rühmlich ist dieses Amt – nach Kriegsbegriffen

Empfohlene Zitierweise:
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/061&oldid=- (Version vom 31.7.2018)