weit und breit kein Stück Brot aufzutreiben … Alle Räume, die ein Dach tragen: Kirchen, Meierhöfe, Schlösser, Hütten, sind mit Kranken gefüllt – alles, was einem Wagen gleicht, wird mit einer Ladung Verwundeter weggeführt … Die Straßen bedecken sich nach allen Richtungen mit solchen Höllenkarren – denn wahrlich, was da an Leiden auf Rädern rollt, das ist höllisch. Da liegen sie – Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten – von Blut, Staub und Schmutz bis zur Unkenntlichkeit entstellt, mit Wunden, für die es keine menschenmögliche Hilfe gibt, Klagetöne, Schreie ausstoßend, die nichts Menschliches haben – und doch: die noch schreien können, sind die Beklagenswertesten nicht …“
„Da sterben wohl Viele unterwegs?“
„Gewiß. Oder wenn sie abgeladen worden – in irgend einem überfüllten Raum – enden sie still und unbemerkt auf dem ersten besten Bündel Stroh, auf welches sie sich fallen ließen. Manche still – manche aber auch in verzweifeltem Todeskampfe tobend und rasend, die haarsträubendsten Flüche ausstoßend … Solche Flüche mußte wohl jener Herr Twinnig aus London gehört haben, welcher bei der Genfer Konferenz folgenden Vorschlag machte: „Wenn der Zustand eines Verwundeten nicht die geringste Hoffnung der Heilung übrig läßt, wäre es in diesem Fall nicht angemessen, daß man ihm erst den Trost der Religion spende, ihm, so weit es die Umstände gestatten, einen Augenblick der Sammlung lasse und dann seiner Agonie auf die wenigst schmerzliche Weise ein Ende mache?
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/084&oldid=- (Version vom 31.7.2018)