Verwundeter von Horonewos nach Königinhof gebracht, und von dort war ihm ein anderer Transport zur Beförderung nach Wien anvertraut worden. Mich Ohnmächtige – in der doppelten Bedeutung des Wortes ohnmächtig – hatte er mitgenommen und brachte mich nach Hause. Ich hatte mich auf jenen Stätten des Elends als völlig unnütz und unfähig erwiesen, als ein Hindernis und eine Bürde; Frau Simon war sehr froh, als Doktor Bresser mich fortschaffte. Und ich mußte zugeben, daß es so am besten war. Aber Friedrich? – Ich hatte ihn nicht gefunden. Gott sei Dank – daß ich ihn nicht gefunden: so war noch nicht alle Hoffnung tot: und hätte ich gar den geliebten Mann unter jenen Jammergestalten erkennen müssen – ich wäre wahnsinnig geworden! Vielleicht würde ich zu Hause einen Brief meines Friedrich vorfinden … Diese Hoffnung – nein, Hoffnung ist zu viel gesagt: der Gedanke an diese bloße Möglichkeit – goß mir einen Balsam in die wunde Seele. Ja wund – wund fühlte ich mein Inneres … Das Riesenweh, welches ich gesehen, hatte mir so tief ins eigene Herz geschnitten, daß mir war, als sollte es nie mehr ganz geheilt werden können. – Auch wenn ich meinen Friedrich wiederfände, auch wenn mir eine lange Zukunft von Glanz und Liebe bescheert würde, könnte ich denn jemals vergessen, daß so viele andere meiner armen Menschenbrüder und -Schwestern so unsägliches Unglück tragen müssen? So lange tragen müssen, als sie nicht zur Einsicht kommen, daß dieses Unglück nicht Verhängnis, sondern Verbrechen ist. – –
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/100&oldid=- (Version vom 31.7.2018)