Die Frage: „Ist mittlerweile Nachricht von Friedrich gekommen?“ stieg mir wiederholt zu den Lippen empor, ich fand aber nicht den Mut, sie auszusprechen. Endlich – wir waren schon ein Stück gefahren und mein Vater war noch immer stumm – brachte ich dieselbe hervor:
„Bis gestern Abend nicht,“ lautete die Antwort. „Möglich, daß wir heute Nachricht finden. Ich bin nämlich schon gestern, gleich nach Empfang des Telegramms, zur Stadt gefahren. Ach, hast Du uns Angst gemacht, Du närrisches Ding! Auf die Schlachtfelder fahren, dem grimmigen Feind entgegen – diese Leute sind ja wie die Wilden … Durch ihre Spitzkugelsiege sind sie ganz berauscht … und überhaupt: disciplinierte Soldaten sind sie ja nicht, diese Landwehrleute – von solchen kann man sich auf die ärgsten Unthaten gefaßt machen, und Du – eine Frau – läufst da mitten hinein; Du – nun der Doktor hat mir verordnet, Dir keine Vorwürfe zu machen –“
„Wie geht es meinem Sohne Rudolf?“
„Der schreit und heult nach Dir, sucht Dich im ganzen Haus, will nicht glauben, daß Du weggereist seiest, ohne ihm einen Abschiedskuß zu geben. Und nach den Anderen frägst Du nicht? nach Lilli, Rosa, Otto, Tante Marie? Du kommst mir überhaupt so teilnahmslos vor –“
„Wie geht es Allen? Hat Konrad geschrieben?“
„Gut geht es allen. Von Konrad kam gestern ein Brief – es ist ihm nichts geschehen. Lilli ist selig. Du wirst sehen, von Tilling wird nächstens auch
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)