Es war damals eine solche Trauer- und Sterberesignation über mich gekommen, daß ich stündlich erwartete, der Tod – in dessen Zeichen das Land seit zwei Monaten stand – werde nun mich selber und meine anderen Lieben dahinraffen. Mein Friedrich – mein Rudolf: ich beweinte sie schon im voraus. – Bei alledem, mitten in meinem Harme, hatte ich doch süße Augenblicke. Das war, wenn ich an meines Gatten Brust gelehnt, von ihm liebend umschlungen, mein Leid an seinem treuen Herzen ausweinen durfte. Wie sanft er da – nicht Trost-, aber Worte des Mitschmerzes und der Liebe zu mir sprach, es wurde mir dabei so warm und weit ums eigene Herz … Nein, die Welt ist nicht so schlecht – mußte ich unwillkürlich denken – die Welt ist nicht ganz Jammer und Grausamkeit: es lebt in ihr das Mitleid und die Liebe … freilich erst in einzelnen Seelen, nicht als allgültiges Gesetz und als obwaltender Normalzustand – aber doch vorhanden; und so wie diese Regungen uns zwei durchglühen, mit ihrer milden Rührung selbst diese Schmerzenszeit versüßend – so wie sie noch in vielen anderen, ja in den meisten Seelen wohnen, so werden sie einst zum Durchbruch gelangen und das allgemeine Verlangen der Menschenfamilie beherrschen: die Zukunft gehört der Güte.
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Wir verbrachten den Rest des Sommers in der Nähe von Genf. Es war Doktor Bressers Überredungskunst doch gelungen, uns zur Flucht aus der verseuchten Gegend zu bewegen. Anfangs sträubte ich
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/167&oldid=- (Version vom 31.7.2018)