diese Regung, die der Einzelne, wenn er wirklich niedrig genug ist, sie zu fühlen, doch sorgfältig zu verbergen trachtet – zu der bekennen sich stolz und offen Nationen und Dynastien: Tausende sind unter unsäglichem Leid zu Grunde gegangen – aber wir haben dadurch an Territorium, an Macht gewonnen: dem Himmel sei Preis und Dank für den glücklichen Krieg.“
Wir lebten sehr still und zurückgezogen in einer kleinen, am Ufer des Sees gelegenen Villa. Ich war von den durchgemachten Ereignissen so gedrückt, daß ich durchaus mit keinem fremden Menschen Umgang haben wollte. Friedrich respektierte meine Trauer und versuchte gar nicht, das banale Mittel „Zerstreuung“ dagegen vorzuschlagen. Ich war es den Grumitzer Gräbern schuldig – das sah mein zartfühlender Gatte wohl ein – ihnen eine Zeit lang in aller Stille nachzuweinen. Die der schönen Welt so rasch und grausam Entrissenen sollten nicht auch noch der Erinnerungsstätte, die sie in meinem trauernden Herzen hatten, ebenso rasch und kalt beraubt werden.
Friedrich selber ging oft in die Stadt, um dort den Zweck seines hiesigen Aufenthaltes, das Studium der Rote-Kreuz-Frage zu betreiben. Von den Ergebnissen dieses Studiums habe ich keine klare Erinnerung mehr; ich führte damals kein Tagebuch, und so ist mir meist wieder entfallen, was mir Friedrich von seinen betreffenden Erfahrungen mitteilte. Nur eines Eindruckes erinnere ich mich deutlich, den mir die ganze Umgebung machte: die Ruhe, die Unbefangenheit, die heitere Geschäftigkeit aller Leute, die ich zufällig sah
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/169&oldid=- (Version vom 31.7.2018)