„Sie, Herr Konsistorialrat,“ warf ich ein, „sind jedenfalls sanfter und menschlicher als der Stückhauptmann; Sie haben daher aus der Bibel keine Belege für die Statthaftigkeit der Greuel – an welchem unsere mittelalterlichen Vorfahren und vermutlich noch mehr die alten Hebräer – ihre Lust hatten – beizubringen; aber es ist doch dasselbe Buch und derselbe Jehova, der nicht sanfter geworden sein kann, von dem aber Jeder nur so viel Bestätigung sich holt, als zu seiner Anschauung paßt.“
Auf dieses hin erhielt ich eine kleine Strafpredigt über meinen Mangel an Ehrerbietung dem Worte Gottes gegenüber und über meinen Mangel an Urteil bei dessen Auslegung.
Es gelang mir jedoch, das Gespräch wieder auf unser eigentliches Thema zurückzuleiten und jetzt erging sich der Konsistorialrat in lange, diesmal ununterbrochen bleibende Ausführungen über den Zusammenhang zwischen soldatischem und christlichem Geiste; er sprach von der religiösen Weihe, „die dem Fahneneid innewohnt, wenn die Standarten mit Musikbegleitung feierlich in die Kirche getragen werden unter der Ehrenbedeckung zweier Offiziere mit gezogenem Degen; da tritt der Rekrut zum erstenmale öffentlich mit Helm und Seitengewehr auf und zum erstenmale folgt er der Fahne seines Truppenteils, die jetzt entfaltet ist vor dem Altare des Herrn, zerfetzt wie sie ist und geschmückt mit dem Ehrenzeichen der Schlachten, in der sie getragen worden“ … Er sprach von der allsonntäglichen kirchlichen Fürbitte: „Beschütze das königliche Kriegsheer
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/195&oldid=- (Version vom 31.7.2018)