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Ich war laut jammernd auf die Knie gesunken, indem ich wiederholte: „Sterben – sterben! … Ich muß sterben!“ Da umfaßten mich zwei Arme und ein bittendes, schmerzhaft-ernstes, wunderliebes Knabengesicht sah mich an:

„Mutter!“

Bis dahin hatte mich mein Kleiner nie anders als „Mama“ genannt. Daß er in diesem Augenblick – zum erstenmale – das Wort „Mutter“ gebraucht, das sagte mir in zwei Silben: „Du bist nicht allein – du hast einen Sohn, der deinen Schmerz teilt – der dich über alles liebt und ehrt, der Niemand hat auf dieser Welt, als dich – verlaß dein Kind nicht, Mutter!“

Ich preßte das teure Wesen an mein Herz; – und ihm zu zeigen, daß ich verstanden hatte, stammelte auch ich:

„Mein Sohn, mein Sohn!“

Zugleich erinnerte ich mich meines Mädchens – seines Mädchens, und mein Entschluß, zu leben, war gefaßt.

Aber der Schmerz war zu unerträglich: ich verfiel in geistige Nacht. Und nicht nur dieses eine mal. Im Lauf der Jahre – in immer längeren Zwischenräumen – blieb ich Rückfällen von Tiefsinn unterworfen, von welchen mir dann in genesenem Zustande gar keine Erinnerung blieb. Jetzt, seit mehreren Jahren, bin ich schon ganz frei davon. Frei von der bewußtlosen Schwermut heißt das, nicht aber von bewußten Anfällen bittersten Seelenschmerzes. Achtzehn Jahre

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Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/305&oldid=- (Version vom 31.7.2018)