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jeden Tag 2–5 in dem Städtchen, weshalb der Judenzoll trotz des Einspruchs von Mainz stark erhöht wurde. Fürst Friedrich Ludwig ließ sich als Erbprinz die Hebung Ingelfingens überaus angelegen sein. Er war auf Anlegung einer Kunststraße das Kocherthal entlang bedacht und suchte in Ingelfingen eine gewerbetreibende Bevölkerung zu schaffen. Er legte 1782 die Mariannenvorstadt an, indem den Ansiedlern Grund und Boden für ihre Häuser unentgeltlich überlassen wurde. Überdies gab die fürstliche Kasse Beiträge zum Häuserbau. Manche Häuser baute Friedrich Ludwig und seine Gemahlin Marianne selbst und überließ sie zu geringen Preisen an Handwerkerfamilien. Bild- und Zeugweber, Tuchmacher, Strumpfwirker und Hutmacher wurden in die Mariannenvorstadt gezogen und für sie eine Walke und ein Farbhaus errichtet. Man begann eine theilweise auf Aktien gegründete Goldwaarenfabrik, welche aber nie ertragsfähig wurde. Daneben beschäftigten den Fürsten die Plane zur Einrichtung eines Kornmarktes mit großartigem Speicher, Hebung der Ledermanufaktur, Bau einer Ölmühle, Herstellung einer Wachskerzen- und Weinstein- und Grünspanfabrik. Fischer, Gesch. des Hauses Hohenlohe 3, 309 ff.

Leider mußten alle diese Pläne des hochsinnigen Fürsten bei den über ihn hereinbrechenden Katastrophen zu Wasser werden.

Ein Centsitz war Ingelfingen in alter Zeit nicht. Erst 1660 wurde ein Hochgericht für den Amtsbezirk errichtet. Bei der Einweihung desselben waren von der Bürgerschaft 103, von Criesbach 31, von Crispenhofen 24, von Lipfersberg 2 Bürger anwesend. In der alten Zeit herrschte strenge Kirchlichkeit. Während der Predigt wurden auch Freitags die Thore geschlossen. Der Pfarrer führte „ein Sündenbüchlein“ (Kirchenbücher). Die Schläfer wurden um 1700 in der Kirche aufgeschrieben und um Geld gestraft. Die Gemeinde wünschte aber einen „Kirchendusler“ mit einem langen Stecken, der die Leute stupfen sollte. Auch sollte der Pfarrer einigemal während der Predigt die Schläfer wecken. Das Auslaufen auf die Sonntagsmärkte in Künzelsau war bei Strafe verboten. Öffentliche Versammlungen wurden auf dem Rathhaus oder bei der Linde gehalten. Um 1665 war die Bürgerschaft bewaffnet und übte sich im Schießen.


Kirchliches. Ingelfingen war noch 1307 Filial von Belsenberg s. d. Doch hatte es schon 1293 einen plebanus. Das Patronatrecht zu Belsenberg hatte Kraft I. 1307 an das

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 606. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_II_606.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)