Seite:Beschreibung des Oberamts Kuenzelsau I 023.jpg

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denselben auch jetzt noch ansammelt, verfällt daher nicht mehr, so daß sie ständig mit Wasser gefüllt sind. Die Erdfälle haben häufig besondere Namen, wie das warme Loch, das Nebelloch, das Löwenloch u. s. w. und spielen überhaupt in den Phantasien des Volks eine Rolle.

Der neueste[1] Erdfall des Bezirks kam in der Gegend von Ingelfingen vor und wurde der Hergang sehr genau und gründlich beobachtet[2]. Der Mann von Ingelfingen, der zuerst den Erdfall sah, erzählte hierüber:

In den ersten Tagen des Monats November 1869 habe er, bei trockenem und ziemlich warmem Wetter, Morgens als er nach dem Acker gefahren sei, an der Straße von Ingelfingen nach Ebersthal, in der Nähe des Waldes Vogelgesang, wo die Straße links nach Diebach abgeht, ein Loch bemerkt, welches sich links hart am Straßengraben befand. Dieses Loch sei rund und nicht ganz 1 Quadratmeter groß gewesen. Er habe einen Stein in dasselbe geworfen, da habe es aber lange gedauert bis der Stein aufgefallen sei, worauf er Angst bekommen habe, er breche ein und sich daher schnell entfernt habe. Nachmittags um 3 Uhr sei das Loch schon 11/2 qm, den Tag nachher schon 3 bis 4 qm groß gewesen. Den dritten und vierten Tag sei das Loch mit Brettern verwahrt worden, aber nach einigen Tagen seien auch diese mit viel Erde und Steinen in das Loch hineingestürzt, worauf die Straße an dieser Stelle ganz abgesperrt worden sei. So vergrößerte sich der Erdfall von Tag zu Tag und bekam schließlich einen Durchmesser von 81/2 m; die halbe Straße war in denselben gestürzt. Auf dem Grund des Trichters bemerkte man eine Öffnung, welche schräg unter der Straße in die Tiefe führte.

Nach einiger Zeit, ungefähr Ende November, wurde es kalt, der Boden gefror und es lag wenig Schnee; zu dieser Zeit erweiterte sich das Loch nicht mehr und konnten Balken über dasselbe gelegt werden, um besser hineinsehen zu können. Weder durch eine Lampe, noch durch zwei Büschel Stroh, welche brennend in die Tiefe geworfen wurden, konnte das Loch genügend beleuchtet werden, man sah nur in der mit einem Senkblei gemessenen

  1. Mitte Januar d. J. ist ein weiterer Erdfall in der Nähe von Dörrenzimmern entstanden. Staatsanzeiger Nr. 21 vom 26. Jan. 1882.
  2. Die folgenden Angaben verdanke ich der gefälligen brieflichen Mittheilung des Herrn Mechaniker F. Kneller in Ingelfingen.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 023. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_023.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)