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Brauch hat sich nur noch im oberen Jagstthal (Eberbach bis vor 20 Jahren, Buchenbach, Mulfingen, Ettenhausen) erhalten.

Karwoche. Der Gründonnerstag gilt in Franken weniger als in Schwaben. Von Gründonnerstag bis Ostern schweigen in den katholischen Orten die Glocken, die üblichen Zeichen werden mit der „Rätsche“ gegeben. In der Nacht vor Karfreitag (in Belsenberg Freitag vor Palmsonntag) wird gebuttert. Karfreitagsbutter hat besondere Heilkraft. Der Karfreitag wird sehr streng, theilweise auch bei Evangelischen, mit Fasten gefeiert. Am Schluß des Morgengottesdienstes (in Belsenberg neuerdings Nachmittags) stimmt die Gemeinde unter dem Geläute aller Glocken an: Zur Grabesruh entschliefest Du, oder: Sein Kampf war nun geendet, in Niedernhall: O Lamm Gottes. Beim 3. und 6. Vers schweigen die Glocken. Während dieses Gesanges eilen die Mägde zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen, das festgepfropft bis zum nächsten Karfreitag als Mittel gegen Hautkrankheiten aufbewahrt wird. Ein Bad im fließenden Wasser am Karfreitagsmorgen hat dieselbe Wirkung.

Am Ostersamstag wird in Amrichshausen auf dem Kirchhof durch Feuerstein oder Brennglas ein Feuer entzündet, von dem man sich Kohlen mit nach Hause nimmt.

Ostern. Die Pathchen erhalten Håschagackelich, große Ringe (Bretzan) und Bretzeln.

Weißer Sonntag, dominica in albis, Tag der Erstkommunion in katholischen Orten. Die Mädchen tragen weiße Kleider oder wenigstens weiße Schürzen, die Knaben ein weißes Tüchlein an der Seite (cf. das alte Westerhemd).

„Walburge“ = 1. Mai. Die aus der Schule Entlassenen treten in Dienst oder Lehre. Den Mädchen werden Maien zur Ehre, Erlen zur Schande gesetzt. In späten Jahren geschiehts an Pfingsten.

Himmelfahrt. Die Himmelfahrtsblümchen werden Morgens zu Kränzchen gesammelt und zum Schutz gegen Blitzschlag im Hause aufgehängt.

Fronleichnam, das regenreiche Fest, ist bei Katholiken und Protestanten ein Wetterzeichen. Wenn das Gras und die Blumen auf dem Weg trocknen, so wird die Heuernte gut, andernfalls wird das Wetter unbeständig.

Johannesfeiertag, Hanstack (auffallend kurzes, reines a und geschärftes k, während Tag sonst Doch lautet). Die früher allgemeinen Johannisfeuer sind verschwunden. Räderschlagen kommt noch in Mulfingen vor.

Sedansfeier findet nur in den evangelischen Orten meist als Schulfeier statt.

Kirchweihe (Kärwe West., Kerwe Belsenberg), das größte Fest der ackerbautreibenden Bevölkerung, findet sich in den Weinorten des untern Kocherthals (Künzel., Niedernh.) nicht. An einzelnen Orten wird schon 14 Tage zuvor der Scholdertisch errichtet, in den althohenlohischen Orten erst am Kirchweihtag. Das „Schollern“ (Tellerlesg’spiel) ist ein harmloses Würfelspiel um Kaffeetassen, Teller, Trinkgläser etc. Das „Schollern“ dauert unter Theilnahme der „ledigen Wår“ bis spät in die Nacht.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)