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S. 164, Bestellung des Begräbnisses durch den Nachbar siehe oben. Die vom Standesamt geforderte Anzeigepflicht empfindet das fränkische Volk als grausame Störung des natürlichen Gefühls und trägt sie ungern als Eingriff in die alte, pietätsvolle Sitte. Der Sarg wird bei jungen Leuten mit Blumen, früher auch mit draufgebundenen Messingkronen geschmückt. In den Sarg wird der Todte vom Schreiner gelegt. Die Träger erhalten an einzelnen Orten einen „Rosmarinzemmel“. Auch in den evangelischen Gemeinden lebt noch die Erinnerung an das Vortragskreuz, das bei den Katholiken noch üblich, bei den Evangelischen durch die Bureaukratie verboten wurde. Von den entlegenen Filialien wurde der Todte mit Ochsen auf den Gottesacker geführt. Pferde soll man nicht an einen Todtenwagen spannen. Auf die „Truhe“ d. h. Sarg setzte sich die älteste Frau des Orts als die dem Tod zunächst stehende. Am Grab wird der Todte rite „vergrienen“ siehe oben. Dagegen soll man um „einen haarigen Fuß“ d. h. um ein Stück Vieh nicht greinen. Die Verwandten geben dem Todten je 3 Hände voll Erde mit ins Grab. Auch der Ärmste hat ein ansehnliches Leichenbegängnis. Leichtrunk s. OA.Beschr. Mergentheim l. c.

Im Leichenhaus muß alles, was lebt, Blumen, Bienen, Vieh im Stall anders gestellt werden, sonst geht es zu Grund. Ein Faden, um des Todten Hals gelegt, heilt Warzen.

Die Gräber der Verstorbenen werden sorgsam gepflegt, mit Blumen geschmückt, am Geburts- und Todestag besucht. Auf den Gottesäckern finden sich theilweise schöne schmideiserne, neuerdings auch prächtige steinere Denkmäler z. B. in Oberkessach und Aschhausen. Dagegen sind die Holzkreuze im untern Kocherthal, welche zum Schutz gegen die Witterung mit einem breiten, geschweiften Bogen von Weißblech beschlagen sind, in keiner Weise eine würdige Zierde der Gräber zu nennen.


Sagen und Aberglaube.
1. Geister und Gespenster.

Besonders reich in dieser Richtung sind die altgermanischen Kultusstätten Belsenberg mit seiner heil. Kreuzkapelle und Mulfingen mit seinem Dünnersberg.

In der Steinbacher Klinge am Deuberg bei Belsenberg liegt des .... wirths Dicke begraben, die im Grab keine Ruhe fand. Immer ertönt ihr Klageruf:

Drei Schoppen Wein und ein Schoppen Wasser gibt a a Moß. Deshalb brachte man sie in jene einsame, unheimliche Klinge.

In einem Wirthshaus zu Belsenberg sieht man zu Zeiten den Tanzsaal hell erleuchtet, ohne daß ein Licht brennt.

Im Österbach hart bei Belsenberg unter der Kapelle ist eine abgegangene Mühle. Unter Gerassel fährt ein Wagen mit 2 unheimlichen Männern daher.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)