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Schrift unbegreiflich sei, dann hat man sie eben als christliche zu betrachten. Erbes hält das Tier an dieser Stelle für ursprünglich, 17,8 für eine Kombination von 11,7 mit Kap. 13 und findet hier den jüdischen Antichrist (76; s. u.). Man wird aber über die Fragestellung jüdisch oder christlich weit hinübergehen müssen und zunächst einmal anzuerkennen haben, daß wir hier ebenso wie im Falle der beiden Zeugen das Fragment einer mythologischen Vorstellung haben, die weder aus den uns bekannten Prämissen des Judentums noch denen des Christentums recht ihre Erklärung findet. Auch die beiden Zeugen zeigen hier einen noch fremdartigeren Charakter. Es sind keine Bußprediger mehr, sondern Heroen, die mit dem höllischen Tier (Drachen) Krieg führen und im Kampfe fallen.

11,8. καὶ τὸ πτῶμα[1] αὐτῶν ἐπὶ τῆς πλατείας τῆς πόλεως τῆς μεγάλης, ἥτις καλεῖται πνευματικῶς Σόδομα καὶ Αἴγυπτος, ὅπου καὶ (wie jene Zeugen) ὁ κύριος αὐτῶν ἐσταυρώθη. Auch Jes 1,9f.; Ez 16,46.49 (vgl. Jer 23,14; Dt 32,32) wird Jerusalem Sodom genannt, die Bedeutung Ägyptens im alten Testament ist bekannt. Die Kritiker, die für jüdische Herkunft des Kapitels eintreten, sind gegenüber diesem klaren und bestimmten Urteil über Jerusalem in einiger Verlegenheit. Der Nebensatz ὅπου καὶ ὁ κύριος αὐτῶν ἐσταυρώθη läßt sich ja allerdings leicht beseitigen, und das tun denn auch fast sämtliche Kritiker. Dann bleibt aber immer noch das unbedingte Urteil über Jerusalem. Weyl. findet daher in τῆς πόλεως τῆς μεγάλης einen Übersetzungsfehler (גדולה statt קדושה) und streicht dann ἥτις – Αἴγυπτος, eine einfache Vergewaltigung des Textes. Vischer postuliert statt μεγάλη πόλις ein ἁγία πόλις, weil Jerusalem 11,2 so genannt werde. Sp. dagegen deutet die große Stadt auf Rom (so schon Arethas). Auch 14,8; 16,19; 17-18 werde Rom die große Stadt genannt, dagegen niemals Jerusalem. Doch wird Jerusalem Sib. V 154. 226. 413 (Apk 21,10 in Handschrn.) die große Stadt genannt (vgl. Ps.-Hecataeus bei Josephus c. Apion I 197ff.). Wenn sie 11,2 ἁγία πόλις heißt, so ist das höchstens ein Beweis, daß 11,1f. und 11,3 künstlich zusammengearbeitet sind. Der Zusammenhang deutet ganz bestimmt nach Jerusalem, auf Rom führt auch nicht die leiseste Spur[2]. Wenn der Apok. hier Rom gemeint hätte, so hätte er das unbedingt sagen müssen. Nach der gesamten jüdischen Tradition ist es selbstverständlich, daß die beiden Zeugen in Jerusalem auftreten. Es muß also Sp. gegenüber unbedingt daran festgehalten werden, daß als Schauspiel dieser Szene nur Jerusalem in Betracht kommen kann (s. namentlich noch das zu V. 13 Bemerkte). Das Rätsel der hier gegebenen Charakteristik Jerusalems wird weiter unten gelöst werden.

11,9. καὶ βλέπουσιν[3] ἐκ (s. o. S. 166) τῶν λαῶν καὶ φυλῶν


  1. τα πτωματα ℵP An.¹²³⁴ g vg. s¹² sa. Pr. Vict.; im folgenden Vers ändern P An.¹²³ s¹ g vg. Pr.
  2. Unmöglich kann man bei den beiden Zeugen dieser durchaus eschatologischen Figuren an Petrus und Paulus denken (ebensowenig an die gemordeten Hohenpriester Jesus und Ananus (Josephus, Bellum IV 314ff.), so schon Grotius, Vitringa, Wtst., Eichh., Herder u. a.).
  3. βλεψουσιν g vg. c a ae. Pr.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S321.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)