Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 352.jpg

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werden müssen. Vor jetztbesagtem Heelenthore ligt auch ein Hospital / zu S. Annen genant / darin arme abgelebte Frawens Personen vnterhalten werden. Imgleichen ist vor diesem Thore ein Berg / Nahmens S. Marien oder vnser lieben Frawen Berg / gelegen / darauff vor diesem eine Capelle gestanden / ist anjetzo der Statt Kirchhoff oder Gottesacker / darauff die Todten zur Erden bestattet werden.

Die Christliche Reformation der Religion von den Päbstischen Irrthumben / ist von dem Gottseligen Fürsten / Hertzog Ernsten / dieses Ortes so wol / als an andern dieses Fürstenthumbs / angestellet worden / zu welches heilsamen Werckes Befoderung / vnd Fortpflantz- vnd Erhaltung deß wahren Gottesdienstes / vnd der reinen gesunden Lehre / S. Fürstl. Gn. den berühmten Theologum Urbanum Regium, mit sich nacher Zell gebracht / Ihn daselbst zum General Superintendenten über dero Fürstenthümber vnd Landen verordnet / vnd zu jetztberegtem Zweck sich seiner ferner mit grossem Nutzen gebrauchet. Es hat auch nachgehends an frommen Gottesfürchtigen vnd gelahrten Leuten / welche ihm in solchem Ampt nachgefolget / nicht ermangelt / vnter welchen sonderlich Herr Johan Arendes sehl. wegen seiner herrlichen vnd Geistreichen Schrifften / bey allen Rechtglaubigen einen vnsterblichen Nachruhm erlanget.

Nahe an der Statt ist gelegen das Fürstliche Schloß / darauff die regierenden Herren Hertzogen zu Lüneburg ihren Sitz haben / vmb welche Zeit dieses Fürstl. Schloß seinen Anfang genommen / kan man so eigentlich nicht wissen / das jetzige Schloßgebäw aber entweder gantz / oder zum theil / haben gebawet / (wie solches an einer seiten desselben in Stein gehawen stehet) im Jahr 1485. Hertzog Heinrich zu Braunschweig Lüneburg / vnd seine Fraw Mutter / Fraw Anna / geborne Gräfin zu Nassau; Ist ein herrliches Gebäw von Grund vnd Maurwercken / ins gevierdte auffgeführet / hat an dreyen Ecken einen runden Thurn / an der vierdten aber einen grossen viereckigten / vnd zimlich erhöheten Thurn / darin die Schlaguhr vnd Glocken verhanden. Inwendig an der Seiten deß Schlosses / seyn steinerne Gänge oder Gallereyen / auff starcken steinernen Pfeilern ruhend / davon man auff die Gemächer gehen kan. Vorn an in dem Schloß / zur lincken seiten / wann man hinauff gehet / ist eine schöne mit Gemählden wol außgezierte Capelle / dieselbe hat gleichfalls vorhochgemeldete Fraw Anna von Nassau / Hertzog Otten zu Braunschweig Lüneburg Gemahl / zu Ehren der H. Dreyfaltigkeit / vnd (wie die Wort der Fundation lauten) deß Himmelsfürsten S. Valentini, als Patronen / gestifftet / von zeit der Christlichen Reformation / ist der Gottesdienst durch die Fürstliche Hoffprediger / jederzeit wochentlich etzliche mahl darein verrichtet worden / wie auch noch geschiehet.

Sonsten ist das Schloß mit feinen grossen Saalen / vnd andern Fürstl. Gemächern wol außstaffiret / auch mit einem starcken Wall / vier von Steinen auffgemaurten Zwingern oder Rundelen / mit einem breiten Wassergraben befestiget / hat auch vorn an / gegen der Statt zu / einen grossen Vorplatz / nebenst vielen Gebäwen / zu allerhand Notturfft. Ausser der Statt / zwischen dem Graben vnd Füesestrom / ist der Fürstliche Lustgarten / welcher allererst vor wenig Jahren mercklich gezieret / vnd mit künstlichen Wasserwerck versehen worden.

Mit dieser Fürstl. Residentz hat sich bey vorgewesenen letzten Kriegsläufften nichts denckwürdiges zugetragen / es wäre dann / daß einer für das allerdenckwürdigste (wiewol nicht vnbillig) erachten wolte / daß dieser Ort / da sonsten das gantze Land zu verschiedenen mahlen von Kriegsheeren überzogen gewesen / vnd fast wenig andere Stätte vnd Oerter vnberühret blieben / dennoch durch deß höhesten GOttes sonderbaren Gnadenschirm für allem feindseligen Vberfall vnd Anfechtung behütet worden / also daß die Fürstl. regierende Herrschafft stets sicher darin geblieben / vnd die Vnterthanen vom Lande ihre Zuflucht dahin haben können.

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_352.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)