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Wandelt ernsthaft durch die Türe,

In der Rechten einen Spaten,

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Und sie wagt nicht, ihn zu grüßen,

Also hell und finster war er.

Und sie pflückt gebückt in Züchten
Süße Blümlein, die noch schlafen,
Die unschuldgen, ohne Sünde,

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Ohne Taufe, ihm zum Kranze.


Da sie scheu den Kranz schon ründet,
Steht vor ihr der trübe Wandrer,
Spricht: „Wohl selig sind die Blüten,
Die du tötetest im Schlafe;

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Selig in der Nacht gepflücket,

Die in Unschuld sind empfangen,
Die nicht traf der Fluch der Sünde,
Starben selig vor dem Apfel.

Aber uns tut not zu büßen,

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Denn das Weib ward durch die Schlange

Zu dem Gottesraub verführet,
Den sie teilte mit dem Manne.

Und so hat der Herr erzürnet
An die Erde uns gebannet;

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In der Mutter muß ich wühlen

Nach dem göttlichen Erbarmen.

Mit dem Fleische ist die Sünde
Aus der Erde aufgegangen;
In der Mutter muß ich wühlen,

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Bis der Vater sich erbarmet!“


Und vor Rosablankens Füßen

Fing der Ernste an zu graben,
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)