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Doch nun hört an dem Turme

Eine Viertelstunde schlagen,

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Und durchs Fenster in der Schule

Apos Stimme lehrend schallen.

Da er so versäumt die Stunde
Von der Kunst des Liebestrankes,
Will er eilen zu dem Brunnen,

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Wo der Trank lebendig wallet.


Trunken schlugen seine Pulse,
Da er ihrer Wohnung nahet;
Wie durch dunkle Grüfte, rufend
Sich, verwandte Quellen wandeln,

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Sich in ewiger Unruh suchen,

Aber fest in Stein gefangen,
Murmelnd ungeduldig sprudeln,
Können nicht zusammenfallen.

An Biondettens Fenster duftet

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Einer blühnden Linde Schatten,

In den Zweigen gehn zur Schule
Gern die süßen Nachtigallen.

Lauschen in den Dämmerungen
Auf der Jungfrau Sang und Harfe,

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Wenn die Meisterin verstummet

Wiederholen sie es lallend.

In Bewundrung ganz betrunken
Singt das Bölklein durcheinander,
Die Studentlein ohne Ruhe

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Mit dem Federmantel schlagen.


Oft auch mischt ein frecher Kunde

Drein den ungewaschnen Schnabel,
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_028.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)