Romanzen vom Rosenkranz/Romanze III: Meliore und Apone
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Ruhig steht mit seinem Buche
Schon Meliore auf der Straße,
Vor dem Haus der hohen Schule
Auf die Mitgenossen harrend.
Die Apone vorgetragen,
Wünscht ihm eine leichtre Zunge
Und sich schärfere Gedanken.
Daß die Welt aus Gott entsprungen,
Daß Gott sei im Mittelpunkte,
Wo auch nichts sei und doch alles –
Dieses scheint ihm höchstens dunkel;
Aber da er Apo fragte,
Da das Licht noch war im Schaffen.
Bildend in den Kreaturen,
Hatte es nicht Zeit zu strahlen;
Also sei es dir kein Wunder,
Fühlst du erst die Macht des Dunkels,
Wird auf kühle Brunnen schlagen.
Euch ins Dunkle einzufangen,
Dann zu sehn des Lichtes Wunder,
Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen.“ –
Und so gab er sich zur Ruhe,
Ließ ergeben sich hinunter
In der Weisheit Stollen fahren.
Harmoniam der Naturen,[1]
Welche auf smaragdner Tafel
Zara, in Hermetis Grabe,
Und der Dinge Signaturen
Hat schon Apo vorgetragen,
Und beinahe ists schon dunkel,
Aber heute in der Stunde
Wird er hohe Dinge sagen,
Von der Töne Macht und Wunder
Und der Kunst des Liebestrankes.
Lehrte von dem Liebestranke,
Denn Meliore kennt die Wunder
Harfenklanges und Gesanges.
Denn es schlug die Liebeswunden
Die um Tanz und Sang und Tugend
Eine Viertelstunde schlagen,
Apos Stimme lehrend schallen.
Da er so versäumt die Stunde
Von der Kunst des Liebestrankes,
Will er eilen zu dem Brunnen,
Trunken schlugen seine Pulse,
Da er ihrer Wohnung nahet;
Wie durch dunkle Grüfte, rufend
Sich, verwandte Quellen wandeln,
Aber fest in Stein gefangen,
Murmelnd ungeduldig sprudeln,
Können nicht zusammenfallen.
An Biondettens Fenster duftet
In den Zweigen gehn zur Schule
Gern die süßen Nachtigallen.
Lauschen in den Dämmerungen
Auf der Jungfrau Sang und Harfe,
Wiederholen sie es lallend.
In Bewundrung ganz betrunken
Singt das Bölklein durcheinander,
Die Studentlein ohne Ruhe
Oft auch mischt ein frecher Kunde
Fassen, rupfen ihm den Kragen.
Lehrt der Star die andern Stare
Eines höhern Standpunkts Schule,
Gründend auf der Wetterfahne.
Klagt auch, daß die andern drunten
Macht ein kunterbunt Gemunkel,
Läßt in alle Welt es tragen.
Doch in den Begeisterungen
Weiß die Jungfrau nichts von allem,
Lauschen gleich die Nachtigallen.
So vergleicht der hohen Schule
Er der hohen Linde Schatten,
Wo in überflüssgen Zungen
Ach! er möchte hin zum Grunde
Stürzen dieses Baumes Schatten,
Oder in den Zweigen ruhend,
Die ihm bloß ertönt, betrachten.
Steht auf einsamem Altare
Bei der Linde, ihre Kuppel
Wölbet ihm des Tempels Halle.
Ihm zur Seite steht ein Brunnen
Leis der Linde Blüten runter
Handel-, wandellos die Straße,
Hell Biondettens süßes: Ave!
Und geht sie, im bunten Putze
Schimmernd, zu der Bühne abends,
Teilt sie fromm die Flitterblumen
Auf des Altars öder Stufe
Keimen Blümlein in dem Grase;
Nahe ist das Tor, hier ruhen
Gern, sich ordnend, müde Wandrer.
Einsam wie das Bild, es fallen
Leis der Linde Blüten runter
Auf den Spiegel seines Wassers.
Still an des Altares Stufen
Glaubend, was mit Dämmerungen
Ihm der Schule Geist umnachtet.
Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen;
Zu der Stadt trägt Rosablanke
Sprengt die Rosen an mit Wasser.
Sitzt zu ruhn dann auf die Stufen
Bei dem Jüngling am Altare,
Ihre züchtgen Augen wurzeln
Die erfrischten Rosen rufen,
Weckt sein Blick die Rosenwange.
Spricht die Jungfrau: „Herr, im Garten[2]
Bot ich heut dir diese Blumen,
Und du hast sie ausgeschlagen.
Grubst dir emsig eine Grube,
Du gingst in der Grube unter,
Ach, in mir ist dieser Garten!
Es erschien mir Gottes Mutter
Und zertrat die böse Schlange,
Da ich lebend dich betrachte!“
Und Meliore spricht verwundert:
„Du klagst einem kranken Arzte,
Rettung müßte sonst ich suchen
Du sagst wahr: Längst ging ich unter
In der Wangen Rosengarten,
Der Gesang des süßten Mundes
War mir eine bunte Schlange.
Daß sie unser sich erbarme,
Lasse um die Stirn ihr duftend
Einen Kranz von Rosen prangen!“
Und er sitzet auf den Stufen,
Da bricht durch der Linde Dunkel
Schon Meliore mit dem Kranze,
Bitter weinet Rosablanke.
Ihr zum Herzen hingedrungen
Sind die Fluten des Gesanges,
Ihr im Busen ist entsprungen
Und der Tränen Flut wird suchen
Stets die Fluten des Gesanges,
Bis sie einst durch Gottes Wunder
Selig ineinander fallen.
Nach dem Kloster Rosablanke,
Weil von Schülern dicht umrungen
Apo sich der Linde nahet.
Er mag gern mit seinem Zuge
Und sie bei dem nahen Turme,
Wo er hauset, stolz entlassen.
Ernsthaft mit gezognem Hute
Folgt die Schar dem finstern Manne;
Schnell Meliore, ihn erwartend.
Nahet nach demütgem Gruße
Ruhig dann dem finstern Manne.
„Daß ich heut versäumt die Schule“ –
Ungeduldig, ohne Ruhe,
Aber ich bin irr gegangen.“
Apo, scharf ins Aug ihn fassend:
„Und der Irrgang scheint gelungen,
Angenehm ist dieser Schatten.
Dieser Baum hegt geistge Zungen.
Bist du zum Altar gesprungen,
Und doch führst du leere Taschen.“ –
„Meister, nein! das Haupt der Mutter
Krönt ich mit dem Rosenkranze,
Kehrtest, deiner hier geharret.
Denn ich wollte dich ersuchen,
In der Kürze mir zu sagen,
Was in der versäumten Stunde
Denn der Töne Macht und Wunder
Kann ich mir schon deutlich machen;
Dieses Baumes geistge Zungen
Über mich sind ausgegangen.“
Lehrte dich der Linde Schatten,
Lerne nun von diesem Brunnen
Auch die Kunst des Liebestrankes.“ –
„Meister, höchlich ich bewundre,
Ach! zu tief ist mir der Brunnen,
Sah ich oft ein Antlitz strahlend
Aber nimmer steigts zum Rande.
Treulos immer ists verschwunden,
Wenn ich weisheitdurstig nahte.
Nur das Bild von Gottes Mutter
Und so krönt ich sie mit Blumen,
Daß, nach gleichem Preis verlangend,
Auch das schönre Bild des Brunnens
Gütger meiner Andacht achte.
Ich am kalten Rande schmachten,
Möcht hinab zu einem Kusse
Stürzend mich im Tode baden.“ –
„Trage Wasser in den Brunnen“ –
Dann magst du die durstge Zunge
Bald im kühlen Spiegel laben.“ –
„Meister, was dir nie gelungen“,
Spricht Meliore, „soll ich wagen?
Wasser in den Born getragen.
Doch des Himmels Spiegel unten
Ist noch nie heraufgewallet;
Von der Schule zu gesunden
So sprach er im Jugendmute,
Gehe, bis du brichst, zum Wasser!
Fange eh du streichst die Katze!“
Zornig geht er dann zum Turme,
Anmerkungen des Herausgebers
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