Romanzen vom Rosenkranz/Romanze IV: Rosablanka und Biondetta
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Nieder auf Bolognas Gassen
Brennt die volle Mittagssonne,
Und aus hohen Schloten wallen
Weiß des dichten Rauches Wolken.
Und auf kühlem Marmorboden
Wird mit silbernem Gerassel
Schon des Reichen Tisch geordnet.
Suchend hie und da den Schatten,
Auch die Bettler zu dem Mahle,
Mit dem vollen Suppentopfe.
Und der Ochse lauscht am Wagen,
Wiederkäuend in der Sonne
Auf das Plätschern hoher Bronnen.
Aber in der Linde Schatten,
Wo die fromme Tänzrin wohnet,
Scheint der Mittag selbst entschlafen
Leis umgrast von seinem Lamme
Schlummerglühnd in goldnen Locken.
Hör des Knaben leisen Odem,
Und die reine Rosablanke
Tritt einher mit ihrem Korbe.
Auf den Stufen des Altares,
Ladet sie zum armen Mahle
Kindlich ein die Mutter Gottes.
Eine goldne Honigwabe,
Auch ein Stückchen weißen Brotes
Nimmt sie aus dem weißen Korbe.
Da erwacht der blonde Knabe
Und steht harrend bei dem Bronnen,
Und es rief ihn Rosablanke:
Und er nahet mit dem Lamme
Freundlich sich der Jungfrau Schoße,
Auch ein Vöglein kommt zu Gaste
Von der Linde abgeflogen.
Heißt sie allesamt willkommen,
Und es spricht der blonde Knabe:
„Du bist mild, o fromme Tochter!
Was du teilest mit den Armen,
Der sich deiner wird erbarmen
In der Stunde deines Todes!“
Ward Biondetta hergelocket,
Will mit ihrer Kunst sie loben.
Leis ergreift sie ihre Harfe,
Singet still herabgebogen:
„Heil dir, Jungfrau, mit dem Lamme,
Über deinem frommen Mahle
Weile gern das Auge Gottes,
Denn so liebe Gäste saßen
Einstens um das Tischlein Josefs.
Zum Gedächtnis deines Sohnes,
Und die arme irdsche Harfe
Klinge bald am Himmelstore.“
Als die Worte niederklangen,
Ließ die Gäste munter naschen
Brot und Honig aus dem Schoße.
Und Biondetta flüstert sachte:
„Mägdlein, sieh nach deinem Korbe,
Schon das weiße Tuch erhoben.
Kindisch horchend meiner Harfe,
Bist du um dein Brot gekommen;
Darf ich dich zu Gaste laden,
Doch nun spricht der blonde Knabe:
Daß ich sie heut abend opfre.
Wenn ich wieder zu dir komme,
Von dem Knaben und dem Lamme
Und drei wundervollen Rosen.
Ich kenn deines Vaters Garten;
Und sie gibt drei schön gemalte
Kerzen ihm, daß er sie opfre.
Eine rote, eine schwarze;
Und er spricht: „Für dich, du Fromme,
Will ich für drei Rosen opfern!“
Und nun wendet sich der Knabe,
Spricht: „Gedenke dieses Morgens,
Denk der Schlange und des Mannes,
Daß sich unser mög erbarmen,
Der du gabst die frischen Rosen,
Die zertreten hat die Schlange,
Die den Heiland hat geboren!“
Denkt die Jungfrau seiner Worte,
Bis Biondetta sie ermahnte
Mit der Saiten goldnem Tone.
Ihren Korb nimmt Rosablanke;
Steigt sie zu Biondettas Kammer
Und spricht schüchtern: „Willst du Rosen?
Kerzen, rein und schlank gezogen,
Sprichts und zieht das Tuch vom Korbe.
Kann die Antwort nicht erwarten,
Setzt sich nieder an den Boden,
Fleht: „O schlage an die Harfe,
Und Biondetta spricht: „O klare
Jungfrau, schöne Harfe Gottes,
Woll an meinem Herzen schlagen
Von den Armen lieb umschlossen!“
Ihr ans Herz, und heilig lodert
Über sie die Gottesflamme,
Daß die Seelen dicht verschmolzen.
Daß von ihren süßen Wangen,
Von dem Klang verborgner Harfen
Heilge Tränenquellen flossen.
„Hörst du, hörst du, wie vom Klange[1]
Mir des Herzens Saiten pochen,
Sich ein Netz um uns gezogen?
O, wer bist du? meine Arme
Haben einen Schatz gehoben;
O, wer sind wir, die sich fanden?
Also ward in süßen Fragen
Ihrer Seele Bund geschlossen.
Einen Rosenkranz geflochten,
Fühlte ich in dem Gesange,
Liebe, mich an dich verloren.
Durch die Rosen meines Kranzes
Die in Lieb und Andacht wachsen,
Flocht ich deine Töne golden!“ –
„Da ich dich gesehn beim Mahle
Mit dem Knaben, Lamm und Vogel,
Daß ich hier so einsam wohne.
Wie ein Himmelsglanz die Kammer
Heilgen Mönchen in Visionen
Füllet, also füllte strahlend
Um sich blicket Rosablanke,
Sieht das Stübchen wohl geordnet,
Spiegelblank sind Stuhl und Tafel,
Schrank und Wand von edlem Holze.
Schwebet um der Fenster Bogen,
Und ein Bilderteppich spannet
Augerquickend sich am Boden.
Und wo es erwünscht, da ragen
Kunstgebildete Gestalten:
Mensch und Vase schön geformet.
Erze, Silber, Gold und Bronze,
Sprechen, was der Meister wollte.
„Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
Der dir all dies Gut erworben?
Solchen Reichtum zu betrachten,
„Nur der Welt gehört dies alles,“
Spricht Biondetta, „aber folge
Jetzt mir auch zum eigenen Schatze,
Den ich selber mir erworben.
Sieh mein Bett von trocknem Moose,
Wo ich mit dem Licht erwache,
Mit der Schwalbe Gott zu loben.
Vor dem Fenster schwebt ein Garten
Wo zwei süße Nachtigallen
Meine Lieder wiederholen.
Aber deine Augen fragen,
Was das Tüchlein dort verborgen
Sieh, das Bildnis einer Nonne.
Schlecht ist nur das Bild gemalet,
Doch in seinen Zügen wohnet
Strenge, die mich liebreich strafet,
Heiliger als alles, alles,
Höher ich, als sei er golden.
Seh ich sanfte Tränen rollen?“
„Kann ich,“ saget Rosablanke,
„Vor dem Bild nicht weinen wollen?
Denn ich seh auf seinen Wangen
Der von Tränen bittren Grames
Bis zum Tode überflossen.
Wer hat dir das Bild gemalet,
Wer hat dir das Tuch gesponnen,
Und mir auch so lieb geworden?“ –
„Was ich weiß, sollst du erfahren,“
Spricht Biondetta, „doch zu sorgen
Bleibt mir vieles noch heut Abend;
Muß noch stimmen Leir und Harfe
Und die Lieder wiederholen,
Denn schon mahnet mich der Schatten
Meiner Uhr dort an der Sonne.“
„Hohe Gäste hat entboten
Wohl dein Vater für heut Abend,
Die so reichen Putz erfordern?“ –
„Alles das will ich dir sagen,“
Mir zu meinem Kleiderschranke,
Hilf mir die Gewande ordnen.“
Stehn die blanken Türen offen:
Und die bunten, reichen Stoffe,
Und die schönen Blumen, wankend
Bei den Sternen silbern, golden,
Wie die zarten Federn schwonken
Wie die Diamanten strahlen
Lachend in rotgoldnen Kronen,
Wie die Perlenschnüre fallen
Weinend durch des Purpurs Wogen.
Spiegeln dunkle Seidenrosen,
Windend sich um Schwert und Lanze
Aus des Goldhelms stolzem Schoße.
Muschelhut und Pilgerflasche
Falsche Stern und Monde prangen
Auf des Turbans üppgen Wolken.
Flitterschuhe und Sandalen,
Bei Kothurn und Goldpantoffeln
Traulich unten sich am Boden.
„Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
Der dir all dies Gut erworben?“ –
„Nur der Welt gehört dies alles,
Muß auf offner Bühne tanzen,
Daß ich sang die erste Rolle.
Daß ich bin gefunden worden
Als ein Kindlein am Altare,
Wo du früh den Kranz geflochten.
Findelkind Mariens nannte
Ihr verdank ich Sang und Harfe,
Sie ist meine Mutter worden.
Was mit Staunen du betrachtest,
Ist das Gut, das sie erworben
Als ich sie im Tod verloren.
Da zur Jungfrau ich erwachsen,
Übernahm ich ihre Rollen,
Und sie hat vom offnen Wandel
In dem Kloster zu Sankt Claren
Ward sie endlich aufgenommen.
Und im heilgen Kleid begraben
Als ein Mitglied jenes Ordens.
Daß ich ihre Findeltochter,
Und mir Zeit und Ort gesaget,
Da ich bin gefunden worden,
In dem Tüchlein eingeschlagen,
Und dem Ringlein, das ich trage,
Am Altare bei dem Bronnen.
Freitag nachts, als aus der Oper
Nahm sie auf mich von dem Boden.
Hat mit mir sich in der Kammer
Mutterheimlich eingeschlossen,
Und von den gemalten Wangen
Da sie sterbend mir dies sagte,
Fragt ich: wer hat mich geboren?
Doch sie konnte mirs nicht sagen,
Ihre Lippe war verschlossen.
Sahen nach dem Bild der Nonne,
Und auf ihre bleichen Wangen
Kalte Tränen niederflossen,
Die noch traurig darauf standen
Und so sind mit ihr mir Armen
Beide Mütter mir gestorben:
Die mich hilflos mußte lassen
Als sie mich zum Licht geboren,
Als ein Kind hat aufgenommen.
Heute nun zum letzten Male
Will ich tanzen in der Oper,
Will ich meine Wangen malen
In der Künste bunter Flamme
Opfern ihrem selgen Tode.“
Dinge, die sie nie vernommen,
Über manches möcht sie fragen,
Stünd der Schrank nicht vor ihr offen.
Lange steht sie vor den Masken,
Kindisch wagt sie nicht zu fragen,
Wer die Augen ausgestochen.
Doch fragt sie bei Armors Larve,
Der ein Band von leichtem Flore
„Ist ihm auch das Aug genommen?“ –
„Da ich einstens trug die Larve,
Sprach Apone unterm Volke:
Wer darf deine Mutter tadeln,
Da erglühten meine Wangen,
Durch die Maskenöffnung rollten
Heiße Tränen, und die Farben
Um die Augen her verloschen.
Diesen Schaden schnell verborgen,
Und blieb ferner an dem Abend
Von dem Toren unverspottet.
Aber nun sollst du die Haare
Wie um eine Silbernadel
Du die deinen hast geflochten.
Ich knie nieder an den Boden,
Wer dein Vater, wo du wohnest.“
Und sie flicht Biondettens Haare,
Windet sie in feste Knoten,
Während sie vom Rosengarten
Wie im Traume heut die Schlange
Gegen sie emporgeschossen,
Wo der ernste Mann gegraben,
Der versunken in den Boden.
Sie ihn wieder angetroffen:
„Ach, da hört ich deine Harfe,
Hab mit ihm den Kranz geflochten!
Und jetzt hat der blonde Knabe
Zu bedenken ernst ermahnet,
Was der ernste Mann gesprochen.
Ach, ich bin mit Angst umfangen!
Mich umdrängen diesen Morgen
Du, dein Glanz, das Bild der Nonne!
Beten will ich noch heut Abend,
Beten, recht von Herzen, morgen
An der armen Mutter Grabe,
Auch sie ruhet bei Sankt Claren;
Willst auch du hin beten kommen?
Sieh, jetzt durch den Flechtenknoten
Steck ich meine Silbernadel,
Bleib der Geberin gewogen!“
Und Biondetta spricht: „Die Nadel
Wenn ich auf des Spieles Bahnen
Mich dem schönsten Tode opfre.
Wenn die Fluten des Gesanges
Weltlich alle sind zerronnen,
Alle nieder sind gezogen.
Wenn die Saiten meiner Harfe
Weltlich alle sind gebrochen,
Denk ich deiner, Rosablanke,
Und das Ringlein, das ich trage,
Das mit mir gefunden worden,
Nimm es hin zur Gegengabe!
Also bin ich dir gewogen!
Irgend ein Gewand dir, Holde!
Zur Erinnrung dieses Tages
Zeige es dem Vater Kosme.
Morgen will ich nach Sankt Claren
Und dann dir zum Rosengarten
Deines ernsten Vaters folgen.“
Welch Gewand sie nehmen sollte,
Ihre Rolle wiederholend:
„Lebet wohl, ihr falschen Farben,
Eitler Tränen Regenbogen,
Sterne, die mit falschem Glanze
Meine Tränen sollen wachsen,
Daß sie mit den bittern Wogen
Ganz mein Irdsches überwallen,
Bis die Schuld ist hingenommen.
Geh ich, eine Tochter Noä,
Kleide mich in schwarzer Farbe,
Wie der Rabe ausgeflogen.
Kleide schwarz mich gleich dem Raben,
Und so traurig auf den Wassern
Schwebte, bis sie abgenommen.
Schleire mich mit weißer Farbe
Gleich der Taube, die als Bote
Das dem Friedensbaum entsprossen.
Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!
Durch den Friedensbogen Gottes
Will ich zu den Vätern wallen
Also sang sie. Rosablanke
Wie die beiden Friedensboten.
Und ihn auf das Haupt gehoben,
Singen scheidend sie zusammen,
Wie Biondetta angehoben:
„Lebet wohl, ihr falschen Farben,
Sterne, die mit falschem Glanze
Anmerkungen des Herausgebers
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