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Wie der Born geweckt die Blumen,

Weckt sein Blick die Rosenwange.

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Von geheimer Macht bezwungen

Spricht die Jungfrau: „Herr, im Garten[1]
Bot ich heut dir diese Blumen,
Und du hast sie ausgeschlagen.

Grubst dir emsig eine Grube,

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Und empor schoß eine Schlange;

Du gingst in der Grube unter,
Ach, in mir ist dieser Garten!

Es erschien mir Gottes Mutter
Und zertrat die böse Schlange,

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Und doch fühl ich mich verwundet,

Da ich lebend dich betrachte!“

Und Meliore spricht verwundert:
„Du klagst einem kranken Arzte,
Rettung müßte sonst ich suchen

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Vor der Schönheit meiner Kranken.


Du sagst wahr: Längst ging ich unter
In der Wangen Rosengarten,
Der Gesang des süßten Mundes
War mir eine bunte Schlange.

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Aber hier steht Gottes Mutter.

Daß sie unser sich erbarme,
Lasse um die Stirn ihr duftend
Einen Kranz von Rosen prangen!“

Und er sitzet auf den Stufen,

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Flicht den Kranz mit Rosablanken;

Da bricht durch der Linde Dunkel

Zu dem Bild Biondettens: Ave!

Anmerkungen des Herausgebers

  1. [399] Meliore erinnert Rosablanka an die Traumgestalt des Morgens; durch ihre Liebe zu ihm droht ihrer Jungfräulichkeit Gefahr und damit der Erfüllung der an die drei Rosen geknüpften Verheißung.
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_031.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)