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Vor den Blicken Rosablankens

Stehn die blanken Türen offen:

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Ach, die seltsamen Gewande

Und die bunten, reichen Stoffe,

Und die schönen Blumen, wankend
Bei den Sternen silbern, golden,
Wie die zarten Federn schwonken

240
Um die leichten, duftgen Flore,


Wie die Diamanten strahlen
Lachend in rotgoldnen Kronen,
Wie die Perlenschnüre fallen
Weinend durch des Purpurs Wogen.

245
Und in blanken Silberpanzern

Spiegeln dunkle Seidenrosen,
Windend sich um Schwert und Lanze
Aus des Goldhelms stolzem Schoße.

Muschelhut und Pilgerflasche

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Hängt am sarazenschen Bogen,

Falsche Stern und Monde prangen
Auf des Turbans üppgen Wolken.

Flitterschuhe und Sandalen,
Bei Kothurn und Goldpantoffeln

255
Und gespornten Schienen, paaren

Traulich unten sich am Boden.

„Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
Der dir all dies Gut erworben?“ –
„Nur der Welt gehört dies alles,

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Ich bin freier Künste Tochter.


Muß auf offner Bühne tanzen,

Bin zur Lust der Welt erzogen;
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_044.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)