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Heute sind es nun sechs Jahre,

Daß ich sang die erste Rolle.

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Heute sind es zwanzig Jahre,

Daß ich bin gefunden worden
Als ein Kindlein am Altare,
Wo du früh den Kranz geflochten.

Findelkind Mariens nannte

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Mich die Tänzrin, die hier wohnte,

Ihr verdank ich Sang und Harfe,
Sie ist meine Mutter worden.

Was mit Staunen du betrachtest,
Ist das Gut, das sie erworben

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Und mir gütig hat gelassen,

Als ich sie im Tod verloren.

Da zur Jungfrau ich erwachsen,
Übernahm ich ihre Rollen,
Und sie hat vom offnen Wandel

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Sich zu Gott zurückgezogen.


In dem Kloster zu Sankt Claren
Ward sie endlich aufgenommen.
Und im heilgen Kleid begraben
Als ein Mitglied jenes Ordens.

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Sterbend hat sie mir gestanden,

Daß ich ihre Findeltochter,
Und mir Zeit und Ort gesaget,
Da ich bin gefunden worden,

In dem Tüchlein eingeschlagen,

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Mit dem Bilde jener Nonne,

Und dem Ringlein, das ich trage,
Am Altare bei dem Bronnen.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_045.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)