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Alle seine Pulse schmieden

Eines bösen Schwertes Stahl.

Die Milchstraße sieht er liegen
In des blauen Himmels Bahn;
Da stehn aller Waisen Wiegen,

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Lehret ihn ein frommer Wahn.


Und er denkt der bösen Liebe
Und der Früchte, die sie gab,
Die in sündlich frechem Triebe
Er dem Schicksal übergab.

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Und die Sünde warf ihn nieder,

Fesselt ihn in schwerer Acht,
Und mit bitterem Gefieder
Rauscht um ihn die böse Nacht.

Tief in Ängsten schon erlieget

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Er des Herzens bangem Schlag,

Denn in dieser Nacht gewieget
Wird verhängnisvoll ein Tag.

Denn das Weib, das er geliebet,
Ging zu Grabe diese Nacht,

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Und die Tochter, die er liebet,

Kam zum Leben diese Nacht.

Und die Sünde, nie besieget
Durch der Reue bittre Macht,
Jene Schuld, der er erlieget,

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War erzeuget diese Nacht.


Und er wühlet in der Tiefe
Seiner Brust der Sünde nach,
Daß die Reue nicht entschliefe,
Schreit er seine Tote wach.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_085.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)