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Blickten schüchtern, ferne Sterne,
An dem dunklen Firmamente.

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Eine weite Dämmrung streckte

Sich umher, und keine Schranken
Schienen um den Fels zu stehen,
Als nur liebende Gedanken.

Bei dem Bildlein saß Biondette

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In dem Scheine einer Lampe,

In den weißen Arm gelehnet
Schimmerte die goldene Harfe.

Schweigend glich das Volk dem Meere,
Über dem ein Gott hinwandelt;

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Also ruht und wogt die Menge

In Biondettens Sang und Harfe.

Und es sind des Meeres Wellen
An der Jungfrau Lied gebannet,
Weh und Wonne fluten, ebben,

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Wie sie will in allen Adern.


Hell auf meerumwogten Felsen
Hebt sich über ewges Wasser
Ein Marienbild; des Meeres
Stern auf ihrem Haupte flammet.

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     „Meerstern, wir dich grüßen,

     Die durch Tränenwüsten
     Aus der sündedunkeln Zeit
     Einsam steuern müssen
     Zu den hellen Küsten

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     Der gestirnten Ewigkeit.“


Nächtlich steigt zu ihr Sirene,
Opfert Perlen und Korallen,[1]

Anmerkungen des Herausgebers

  1. [401] Aus dem Umstande, daß Biondetta hier ihr eigenes Leben vorführt und ihre verstorbene Pflegemutter in der Statistinnenrolle einer Sirene dargestellt wird, hat man gefolgert, diese habe Sirene geheißen, nachdem sie von Kosme verstoßen war. Diese Folgerung erscheint gänzlich unzulässig.
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)