Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 150.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

     „Denk, o Mutter süße,
     Wie du durch die Wüste

145
     Unsern Herren trugst in Pein,

     Daß er für uns büße,
     Trank er deine Brüste,
     Sog er deine Milde ein.“

Schon zerbricht des Sturmes Segel,

150
Und der Blitze Feuerflagge

Zucket einsam auf den Wellen,
Wo das Schiff in Nöten schwankte.

Nieder zu der Gruft der Meere
Sank das Schiff; es folgt dem Sarge

155
Schwarz der Donner, ernstlich betend,

Und der Blitze Leichenfackel.

Und es suchen kleine Sterne
Einsam durch die dunklen Wasser
Nach der Mutter, ach vergebens!

160
Fromme Kerzen ihres Grabes.


     „Jungfrau, Himmelstüre,
     In des Todes Gründe
     Senke deiner Strahlen Schein
     Und helleuchtend führe

165
     Aus dem Meer der Sünde

     Uns zum Quell des Lichtes ein!“

An dem Himmelsdome brennet
Still des Mondes ewge Lampe;
Zu dem Felsen rauscht Sirene,

170
Einen Schatz im Arme haltend.


Denn sie trug das Kindlein flehend
Zu dem steilen Felsenrande,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_150.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)