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Seht das Haupt des Holofernes,
Seht die Decke seines Lagers!

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Und so wahr der Herr uns lebet,

Rein sein Engel mich bewahrte,
Die ohn Sünde wiederkehret,
Nur mit Freud und Sieg beladen!“

Nun tritt sie zurück zum Zelte,

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Das nach ihr hernieder wallet,

Aber rings Gesang sich hebet,
Freudig Flöt und Zimbeln klangen.

Jauchzend durcheinander wehten
Alle Töne, und es schwangen

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Triumphierend sich die Chöre

Wie ein Wald voll Siegespalmen.

Schneller, jubelnder und heller,
Bis zu einer wilden Flamme,
Die sich wieder selbst verzehrte,

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Bis zur stillen glühen Asche.


Da trat still einher Biondette
Unter weißem Rosenkranze,
Ihre Locken, goldne Flechten,
Von der Stirn zum Gürtel fallen.

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Um die zarten Glieder bebet

Ihr ein schlichter, weißer Mantel,
An des Gürtels Silberkette
Hängt ein Brot und eine Flasche.

Ihrer Augen blaue Quellen

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Lassen Tränenperlen fallen

In der Maienglöckchen Kelche
An dem goldnen Knauf der Harfe.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)