Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 157.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ferne Sehnsuchtsklänge sendend
Zu verlaßnen Frühlingstalen.

355
Rings die Hirtenflöten flehen,

Und der Herden Glocken stammeln,
Und die Abendlieder schweben
Klagend aus der Büsche Schatten.

Sie geleitend steigt am Felsen

360
Sonnenschein zum Untergange,

In der Tritte Spuren senket
Dämmerung den ernsten Mantel.

Aber schaut! Nun steht Biondette
Hoch am dunklen Tor des Waldes,

365
Niederkniet sie und singt betend

In die Welt, die sie verlassen:

„Lebet wohl, ihr falschen Farben,
Eitler Tränen Regenbogen,
Sterne, die mit falschem Glanze

370
Dienet einem Flittermonde!


Meine Tränen sollen wachsen,
Daß sie mit den bittren Wogen
Ganz mein Irdsches überwallen,
Bis die Schuld ist hingenommen.

375
Aus dem Argen in die Arche

Geh ich gleich der Tochter Noä,
Kleide mich in schwarzer Farbe,
Wie der Rabe ausgeflogen.

Kleide schwarz mich gleich dem Raben,

380
Der als Bote ausgeflogen

Und so traurig auf den Wassern
Schwebte, bis sie abgeronnen.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_157.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)