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Schleire mich mit weißer Farbe
Gleich der Taube, die als Bote

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Wiederkehrte mit dem Blatte,

Das dem Friedensbaum entsprossen.

Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!
Durch den Friedensbogen Gottes
Will ich zu den Vätern wallen

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Auf der Opferflamme Wolken!“


Aber in den Wald nun senket
Sich die Sonne, und mit Flammen
Scheint Biondetta rings umgeben,
Schwarz geschleiert, nur ein Schatten.

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Da der Wald im Glanze stehet,

Schweigen rings die Flöten alle,
Und ein Chor von Hörnern schwebet
Klagend auf im Widerhalle.

Und das Volk lauscht tief beweget,

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Denn die Sonne widerstrahlend

Spielet, die nicht auszusprechen,
Lieder durch die goldne Harfe.

Und so stille war die Menge,
Daß man hört die Tränen fallen

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Und die heißen Seufzer wehen

Und die bangen Herzen schlagen.

Wie ein Kahn auf stillem Meere
Mondumspielet träumend wanket
Und der Fischer hingestrecket

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Schlummert ein in dem Gesange:


Also waren alle Schmerzen
In Biondettens Lied entschlafen,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_158.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)