Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 264.jpg

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Lebend konnts ihm nie gelingen,
In ihr Kämmerlein zu sehen,

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Und er mußte, einzudringen,

Durch des Todes Pforte gehen.

Schnell die Lampe angezündet
Unter bangen Herzensschlägen!
Ach, das Herz, das sie verbindet,

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Schlägt noch liebend ihr entgegen!


Balsam macht sie aus den Giften,
Die sie sonst im Tanz umgeben,
Mit der Öle süßen Düften
Ruft sie wieder ihn zum Leben.

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Und sie löset ihm geschwinde

Seinen Koller überm Herzen,
Sauget ihm sein Blut gelinde
Aus der Wunde mit den Schmerzen.

Ach! und ihren frommen Lippen

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Strömt die Torheit frech entgegen;

Quelle böser Zauberklippen,
Liebesgift war an dem Degen!

Auf der Brust ihm eingeschnitten
Ihren Namen liest Biondette,

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Und ihr Bild, nach Liebessitte,

Hängt darauf an goldner Kette.

Doppelt ihren Schleier windet
Sie, mit Tränen ihn benetzend,
Und die Wunde sie verbindet,

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Sich der Blöße nicht entsetzend.


Und sie eilt und schmückt das Zimmer,
Zündet an wohl hundert Kerzen,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_264.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)