Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 270.jpg

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Und mit Blumen mich erquicke,
Mich zu laben Äpfel gebe;

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Krank bin ich vor Liebe; blicke,

Blicke auf, mich zu beleben!

Unter deinem Haupt die Linke,
Muß dich meine Rechte herzen,
Wenn ich deinen Kuß nicht trinke,

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Muß verdürsten ich in Schmerzen!


Sieh, die Honigbienen irren
In dem honigsüßen Lenze,
Und die Turteltauben girren;
Komme, mein Freund, daß ich dich kränze!

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Sieh, dem Feigenbaum entspringen

Knospen; aus dem Aug der Reben
Süße Wollusttränen dringen;
Also weint mein junges Leben!

Wie in dunklen Felsenritzen

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Turteltauben auf dem Neste,

Also will ich bei dir sitzen
In dem Glanz der Blütenäste.

Und es tönet meine Stimme
Süß, o süß ist meine Kehle,

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Bis wetteifernd süß ergrimme

und verglimme Philomele.

Und ich singe zu dir nieder:
Mein bist du und mir gegeben,
Und es sehn dich meine Lieder

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Unter Rosen weidend schweben!“


Wie sie also töricht singet,
Spricht Meliore: „Meine Schwester,[1]

Anmerkungen des Herausgebers

  1. [403] Meliore hört aus dem ihm unverständlichen brünstigen Werben der keuschen Biondetta nur die Worte des „Hohen Liedes“ (das in vielen Versen ein Bestandteil kirchlicher Liturgie und in diesen jedem Katholiken vertraut ist) und antwortet mit den Worten desselben: „Meine Schwester“ (Kap. 4, V. 9, 10, Kap. 5, V. 1 usw.) und mit den Worten (Kap. 5, V. 3): „Ich habe meinen Rock ausgezogen“ usw.
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_270.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)