Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 271.jpg

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Fromme Taube, ach, es schlinget
Sich des Todes Band nur fester!

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Nachttau mir vom Haupte fließet,

Und es wecket mir im Herzen,
Wenn sich gleich mein Auge schließet,
Deine Liebe bittre Schmerzen!

Mein Gewand, ich legt es nieder,

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Soll ich wieder an es legen?

Nach dem Bad die Füße wieder
Mir besudeln auf den Wegen?

Deine Augen gleichen Blitzen,
Deine Augen von mir wende!

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Meinem Herzen Degenspitzen

Scheinen deine zarten Hände!“

Aber wehe! nicht vernimmet
Sie den schweren Namen Schwester,
Glühender ihr Wahn entglimmet,

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Sie umklammert ihn noch fester.


Und sie spricht: „Der Kelch der Lilien
Unserm Bett das Rauchfaß schwenket,
Unser Dursten zu vertilgen
Sich der Traube Becher senket.

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Unsre Tür umgeben Früchte,

Ich bewahrte dir, mein Leben,
Heurige und fernge Früchte,
Beide kann ich dir nun geben!

O, du Liebe in Wollüsten!

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O, du schön und lieblich Schweben!

Trauben gleichen meine Brüste,
Trauben wundersüßer Reben!

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_271.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)