Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 275.jpg

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Glut und Feuer meine Triebe,
Wie des Herren Blitz so schnelle.

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Und wenn alle Wasser stiegen,

Und wenn alle Ströme rännen,
Würden sie sie nicht besiegen,
Nimmer sie erlöschen können!

Was in meinem Haus sich findet,

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Alles Gut, wenn ichs wollt geben

Um die Liebe, die mich bindet,
Ach, ich hätte nichts gegeben!

Schön und lieblich meine Füße
In den goldnen Schuhen stehen,

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Und mein Haupt, wenn ich ihn grüße,

Ist wie eines Helmbuschs Wehen!

Wie zwo Spangen schön sich schwingend,
Von des größten Meisters Händen
Eben aneinander dringend,

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Stehen freudig meine Lenden!“


Doch nun lischt der Kerzen Schimmer
Und Biondette singet: „Wehe,
Wehe, Wehe, Lebensschimmer,
Holdes Leben, nicht vergehe!

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Sterbet nicht, ihr süßen Lieder,

Wollt, o wollt nicht von mir schweben!
Sterbet nicht, ihr raschen Glieder,
Laßt euch froh zum Tanze heben!“

Eh die Lampe auch verglimme,

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Will sie freudig nochmals schweben;

Doch sie hört nicht ihre Stimme,
Fühlt nicht ihrer Füße Schweben.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_275.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)