Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 307.jpg

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Doch es war ein liebend Schweifen,
Denn sie suchte, was sie floh,

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Floh ihn, um ihn zu ergreifen,

Und ward ihrer Sorge froh.

War sie endlich ihm entronnen,
In der Rosen Labyrinth,
Das der Kuppel Fenstersonnen

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Wie mit einem Netz umspinnt,


Wo die süß gefangnen Strahlen
Offner Rosen Busen wiegt
Und das Licht, des Duftes Schalen,
Wie ein Schmetterling umfliegt,

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Ist die Seele eingeträumet

In des blauen Himmels Aug,
Daß sie selig überschäumet
In des Wohlgeruches Hauch:

Sieh, da rasselt mit der Schelle

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Meliore am Altar,

Und sie findet auf der Schwelle,
Dem sie kaum entronnen war.

Also geht des Opfers Feier
Ihr vorüber ohn Gebet,

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Und auf ihrem Mund der Schleier

Von den heißen Seufzern weht.

Doch als sich Benone kehret:
Ite missa est!“ nun spricht,
Was so ängstlich sie beschweret,

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Plötzlich mit ihr niederbricht.


Wie vom Taue überfüllet
Eine Blume niedersinkt

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_307.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)