Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 310.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Staunend ob dem heilgen Feste
Schwebend überm Bogen ruht.

445
Und es scheut ihn nicht die Taube,

Segelt aus dem Felsenspalt,
Denn ein wunderbarer Glaube
Tuet aller Welt Gewalt.

Und die Lämmer ruhig schauen

450
Von der steilen Felsenbrust,

Lassen sich das Vlies betauen
Von des Wasserfalles Lust.

Denn es waltet ein Vertrauen,
Und der Hirtin frommes Lied

455
Tönet durch die selgen Auen,

Bis die Sonne niederzieht.

Solcher Schreck traf Rosablanken,
Solche Ruh hat sie erquickt,
Als aus irdischen Gedanken

460
Sie ein tief Gebet entrückt.


Als sie wieder sich gefunden,
War schon einsam der Altar,
Und Meliore zeigt die Wunden
Seines Herzens beichtend dar.

465
An dem Beichtstuhl kniet Meliore,

In der kleinen Sakristei,
Und bekennt des Priesters Ohre,
Welcher Sünd er schuldig sei.

Und erzählt ihm die Geschichte

470
Dieser wunderbaren Nacht,

Die in einem Traumgesichte
Zu Biondetten ihn gebracht.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_310.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)