Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 312.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Folgst du fromm mit bloßen Füßen
Rosarosens Leichenzug.

505
Meliore wird dich leiten.

Wenn die Erde sie umschließt,
Will ich dich ins Tal begleiten,
Wo den Vater du verließst.“

Ruhig hört sie ihn und weinet,

510
Da erließ er ihr die Schuld:

„Friede, Herz! Die Sonne scheinet,“
Sprach er, „fühl des Himmels Huld!“

Nun verläßt sie die Kapelle.
An des Weihbrunns Marmorrand

515
Steht Meliore bei der Schwelle,

Reicht ihr segnend seine Hand.

Abermals die beiden Nonnen
Sieht sie stehn mit tiefem Blick,
Und sie bebt vom Weihebronnen

520
In erneuter Angst zurück.


Und sie tritt mit dem Gesellen
In den lichten Garten ein,
Und des Lebens rege Wellen
Lachen in dem Sonnenschein.

525
Und sie fühlen alle beide,

Daß sie ihre Schuld bekannt,
Gehn in Freude sich zur Seite
Durch das blumenvolle Land.

Selig, wer solch Heil gefühlet,

530
Wer die sündenvolle Brust

In der Beichte hat erkühlet,
In der Reue frommer Lust!

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_312.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)