Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 313.jpg

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O unendliches Erbarmen,
Ja, ich fühle dich mir nah,

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Auch mich trugst du in den Armen,

Daß ich Gottes Antlitz sah!

Zu der Beichte gehn die Sünder,
Schleppend eine tote Welt,
Aus der Buße wie die Kinder

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Tummeln sich durchs Blumenfeld.


Alles wird zum Paradiese.
Mensch und Tier versöhnet sind,
Und die Blumen senden Grüße
Von dem süßen Jesuskind.

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O, wie lacht der Garten heiter!

Funkeln nicht die Blumen schön?
Und der Himmel scheinet weiter
In der Vögel Lustgetön.

Aber sieh! Zwei Nachtigallen

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Flattern bange um sie her,

Wo sie gehen, wo sie wallen,
Und verlassen sie nicht mehr.

Und Meliore bricht das Schweigen:
„Was bedeutet wohl, mein Knd,

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Daß die Vögel nicht mehr weichen,

Die doch sonst nicht heimlich sind?“

Rosablanke spricht: „Die beiden
Habe ich wohl gleich erkannt,
Ach, sie klagen uns ihr Leiden,

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Haben sich uns zugewandt.


Ihre Herrin ist verschwunden,
Heute früh gab ich sie frei;

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_313.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)