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In den meisten Gegenden von Deutschland, wo die protestantische Religion die Herrschende ist, hat ein jedes Kirchspiel einen Cantor, der im Singen Unterricht giebt und das Chor dirigirt.[H 1]

Obgleich der Name Cantor überhaupt einen Sänger andeutet, so giebt man solchen hier zu Lande doch besonders einer Person, welche in den Hauptkirchen die Psalmen und Choräle anstimmt. Er ist der Precentor oder Tongeber bey den Gesängen und hält auch die letzten Noten eines jeden Verses am längsten wieder aus, so, daß man ihn das Alpha und Omega der Kirchenlieder nennen könnte.

Der Cantor, welcher oft zugleich auch Schulmeister ist, sollte ausser einer guten Stimme, auch nothwendiger Weise einen Begriff vom Contrapunkt haben; wo nicht in einem hohen Grade, wenigstens in so weit, als hinlänglich, um solche Fehler zu verbessern, die sich durch Unwissenheit oder Nachlässigkeit der Abschreiber in die Stimmen einschleichen können. Gleichfalls sollte er eine richtige Partitur führen, und aus derselben die von dem Komponisten angebrachte Harmonie in einem richtig bezifferten Generalbaß genau andeuten können. „Denn“, sagt Walther in seinem musikalischen Lexicon, „so lange ihnen dieses fehlt, und den Organisten die Allwissenheit mangelt, kann auch unmöglich eine gute und wohlklingende Musik zu hoffen seyn.“

Anmerkungen (H)

  1. [306] Herr Burney hätte auch leicht erfahren können, daß bey den lateinischen Schulen in Städten, der Cantor einer der ersten Collegen ist.