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ohne das später aufgesetzte dritte Obergeschoss; der Schlossthurm in der Form, die er unter Johann Georg II. erhalten hatte; die jetzigen beiden Nebendurchgänge am Georgenthore sind noch nicht vorhanden. Die Mitte nimmt die Hofkirche ein, von Gaetano Chiaveri seit 1738 erbaut, 1751 eingeweiht, mit 78 Heiligenstatuen, von Mattielli nach Torellis Zeichnungen gefertigt. Da der Thurm erst 1757 vollendet wurde, stellt das Bild noch das Projekt dar. Der später hergestellte hölzerne Verbindungsgang zwischen Kirche und Schloss fehlt noch. Hinter der Kirche erscheint der Zwingerwall und die Bastion Sol; rechts ein Theil der Brücke, von der beim Beginn des Kirchenbaues ein Bogen zugeschüttet worden war. Ueber die Brücke hinweg bietet sich ein Blick auf das Japanische Palais, Neudorf und die Berge der Lössnitz. Auf dem Schlossplatze ist ein königlicher Wagen mit Vorreitern und Läufern zu bemerken. (Oelgemälde Nr. 608 in der Königlichen Galerie, worauf jedoch die Hofkirche von den Gerüsten umgeben dargestellt ist.)




VI.
Der Zwingerhof

vom westlichen Mittelpavillon aus aufgenommen 1758. Der von M. D. Pöppelmann in den Jahren 1711 bis 1722 erbaute, aber nicht vollendete Zwinger war von August dem Starken zum Schauplatz von Hoffestlichkeiten bestimmt; in späterer Zeit diente er als Zimmerhof, bis ihn König Friedrich August der Gerechte reinigen und die Orangerie darin aufstellen liess. Nach der Elbseite, wo jetzt das Museum steht, war der Zwinger durch eine einstweilige, mit Bogenfenstern bemalte lange Wand abgeschlossen, von der ein Stück, davor ein Bretterhaufen, auf dem Bilde zu sehen ist. In den Pavillons waren damals die Königliche Bibliothek, das Kupferstichkabinet und andere Sammlungen untergebracht. Von den unterhalb der Galerien hinlaufenden Wasserkünsten sind nur die leeren Becken erhalten geblieben. Die auf den Galerien stehenden zahlreichen Sandstein-Figuren und Gruppen sollen während des siebenjährigen Krieges herabgestürzt worden sein; einige davon schmückten bis 1890 den Garten des Prinz Max-Palais auf der Ostra-Allee. – Ueber den Zwinger herausragend erblickt man links zunächst einen Giebel des Schlosses (mit 1 bezeichnet) und davor das 1664 erbaute älteste Opernhaus (2), das von 1708 bis 1751 zum Hofgottesdienst benutzt wurde, dann als Ballspielhaus, seit 1808 als Archivgebäude diente und 1888 abgebrochen worden ist. Links vom östlichen Mittelpavillon ist der 1756 erbaute Westflügel des Prinzenpalais (3) und dahinter die Spitze des Kreuzthurms, rechts davon das Dach der Sophienkirche sichtbar. An den rechten Langpavillon stösst das 1718 erbaute, 1849 abgebrannte grosse Opernhaus (4) an, dem sich weiter nach rechts hin das Adamsche Haus und der Thurm des Wilsdruffer Thores anschliesst. (Oelgemälde Nr. 629 in der Königlichen Galerie.)




VII.
Die Zwingergalerie

von der Ostra-Allee her aufgenommen 1758. Die linke Seite nimmt der noch jetzt erhaltene Zwingerwall (Bastion Luna) ein, daran anstossend die Zwingergalerie mit dem westlichen Eingangspavillon, zu dem eine hölzerne Brücke über den Wallgraben führt. Hinter dem Pavillon erscheint das Opernhaus, dann die Sophienkirche, wie sie bis zum Umbau von 1864 bestand, und die Spitze des Kreuzthurms. Das Gebäude quer vor dem Graben diente von 1748 bis 1879 als Hofwaschhaus und ist erst 1894 abgebrochen worden. Weiter rechts erhebt sich das 1744 erbaute Adamsche Haus, worin sich von 1844 bis 1864 eine Spiegelfabrik befand, die jetzige Waldschlösschen-Restauration, und sodann der Thurm des Wilsdruffer Thores. Rechts giebt das Bild ein Stück der nicht lange vorher angelegten Ostra-Allee mit dem jetzt noch stehenden Theatermalerhause wieder. Der Wallgraben wurde bei dem im Jahre 1811 begonnenen Abbruche der Festungswerke zugeschüttet. (Oelgemälde Nr. 609 in der Königlichen Galerie.)




VIII.
Das Wilsdruffer Thor

von der heutigen Annenstrasse her aufgenommen 1750. Die Postsäule im Vordergrunde stand auf dem freien Platze, wo jetzt die Strasse „am See“ in die Annenstrasse einmündet; der Obelisk ist noch vorhanden und dient als Aufsatz eines Brunnens im kleinen Hofe der Feuerwehr-Hauptwache. Das Häuschen am äusseren Ende der Thorbrücke ist das Accishaus, das später vergrössert worden ist, die jetzige Gambrinus-Restauration am Eingange der Wettinerstrasse. Die zum Theil im Bau begriffenen Häuser im Vordergrunde links sind die der jetzigen Zwingerstrasse. Jenseit des Wallgrabens erblickt man links den Zwinger, dann nach rechts hin das Opernhaus, überragt von dem Thurme der katholischen Hofkirche und dem des Schlosses, weiter das Adamsche Haus, endlich den in dieser Gestalt aus der Zeit Christians II. herrührenden Thurm des Wilsdruffer Thores und davor das Hauptwasserhaus der Plauenschen Wasserleitungen. Die den Vordergrund rechts einnehmende Saturnusbastion lag etwa an der Stelle des heutigen Telegraphenamtsgebäudes. Die daraufstehenden taubenschlagähnlichen Bauwerke sind Luftössen für die darunter gelegenen Kasematten. Das im Jahre 1573 unter Kurfürst August hergestellte Bildwerk an der Festungsmauer links vom Thoreingange stellt das sächsisch-dänische Alliancewappen und darüber eine Justitia dar. Die Ausfüllung des Grabens und Einebnung des Walles erfolgte seit 1811; der dadurch entstandene Platz hiess der Demolitionsplatz, jetzt Postplatz und Antonsplatz. – Die in der Unterschrift des Bildes gebrauchte Bezeichnung Porte d’Italie beruht auf einem Missverständniss des der deutschen Sprache nicht mächtigen Künstlers, der unter dem Wilschen d. h. Wilsdruffer Thor ein „Welsches“ Thor verstand. (Oelgemälde Nr. 611 in der Königlichen Galerie.)




IX.
Der Altmarkt

von der Schlossstrasse her aufgenommen 1752. Die linke Seite nimmt die östliche Häuserreihe des Marktes ein, beginnend mit dem Pflugschen Hause, einst dem grössten der ganzen Stadt, das in die Badergasse und grosse Kirchgasse hinein reichte und beim Baue der König Johann-Strasse gefallen ist. Der davor stehende Justitia-Brunnen war 1653 errichtet und ist 1888 abgebrochen worden. Das nächste Haus nach rechts gehörte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der berühmten Bildhauerfamilie Walther; auch der Kanzler Nikolaus Krell soll damals hier seine Wohnung gehabt haben und 1591 bis zu seiner Ueberführung auf den Königstein darin bestrickt worden sein. Das Eckhaus rechts an der Frohngasse war im 16. und 17. Jahrhundert ein Gasthaus „zum goldenen Löwen“, im 18. „zur goldnen Kanne“; es ist bei der Beschiessung 1760 mit abgebrannt. Auf der Südseite des Marktes das dritte Haus von der Kreuzkirche her, dem Bürgermeister Christian Weinlig und seinen Nachkommen gehörig, ist von dem Bildnissmaler Anton Graff und später vom Komponisten Weber bewohnt worden. Das Eckhaus an der Schreibergasse

Empfohlene Zitierweise:
Otto Richter (Archivar): Canaletto-Mappe. Wilhelm Baensch, K. S. Hofverlagsbuchhandlung, Dresden 1895, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Canaletto-Mappe_(Otto_Richter).pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)