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Schächer am Kreuz etc.) durchgängig in Gestalt der kleinen, nackten, geschlechtslosen Kinder dargestellt. Vgl. den Artikel Kind. Ausnahmsweise tritt in dem handschriftlichen chron. Zwifalt. der Stuttgarter Bibliothek pag. 56 aus der todten Maria die Seele als Kopf und Spiegelbild des todten Kopfes hervor. — In den allegorischen Werken des 16ten und 17ten Jahrhunderts, in denen das Verhältniss der menschlichen Seele zu Christo wie ein Roman zweier Liebenden aufgefasst zu werden pflegte, nahm die christliche Seele so ziemlich das Wesen der griechischen Psyche aus dem bekannten Gedicht des Apulejus an. Ein geistliches Schauspiel: Psyche schrieb in diesem Sinn der Dichter Birker im 17ten Jahrhundert. Das schönste christliche Gedicht dieser Art sind die pia desideria von Hugo, Antw. 1624. Doch auch schon viel früher kommen Gedichte und Schauspiele von der „minnenden Seele“ vor. Vgl. Mone, Schauspiele des Mittelalters I. 131. Christus ist hier immer der himmlische Geliebte, die Seele die irdische Liebende, er vollkommen und rein, daher auch ruhig und fest, sie dagegen schwach, thöricht, eifersüchtig, unruhig und voll Fehle, aber auch voll Reue. Das eigentlich älteste Vorbild dazu ist das Hohelied Salomonis, aber in der Zeit der Renaissance wurde je mehr und mehr der Roman des Apulejus, die Liebe zwischen dem himmlischen Amor und der irdischen Psyche maassgebend.

Auch der „verlorne Sohn“ ist Personification der irrenden Seele. Nicht minder der Ritter, der sich in den „Venusberg“ locken lässt. Prüfungsreisen der Seele durch die Welt siehe v. Schack, dramatische Lit. der Spanier II. 403. 500. In andern Dichtungen und Bildwerken kommt die Seele als eine arme Bettlerin vor, mager, verhungert und in Lumpen, im Gegensatz gegen den Leib, der in Gestalt eines Esels fürstlich gepflegt, verehrt und geliebkost wird. Eicones mysticae Oraei, Francof. 1620. Aehnlich in einem altdeutschen Gedicht, handschriftlich zu Gotha. Rathgeber, Annalen 58. In Höllenbildern bekommt die Seele zuweilen Thiergestalt, entsprechend dem Laster, das zu ihrer Verdammniss führte.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_362.jpg&oldid=- (Version vom 25.3.2023)