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transit, non frangit – non vi, sed virtute.[1] Wie die Sonnenwärme in der Erde nichts zerstört, sondern sie nur mit Kräutern und Blumen ziert, so schmückte Gott die heilige Jungfrau mit der Geburt des göttlichen Kindes: non gravat et gravitat – ornat, non onerat.[2] Piccinelli, mundus symb. p. 14. 19. Daher malte Raphael seine berühmte Madonna von Foligno mit dem Kinde in einer Sonne, deren Schein über die Erde fällt. Auch eine Sibylle hatte in der Stunde, in der Christus geboren wurde, eine Vision, in welcher sie Mutter und Kind in einer Sonne sah. Hofmann, Apokryphen S. 110. Ein alter Kupferstich zeigt Mutter und Kind in einer dreifachen Sonne mit Beziehung auf die heilige Dreieinigkeit. Heinecken, neue Nachrichten I. 390. – Die alten Maler liebten auf Bildern der Empfängniss einen Sonnenstrahl anzubringen, der durch’s Fenster in Maria’s Zimmer fällt. So auf dem schönen Bilde des Johann van Eyck aus der Boisserée’schen Sammlung. Auf vielen Bildern geht der Sonnenstrahl von der Hand Gottes oder von der Taube (als Sinnbild des heiligen Geistes) aus, und zuweilen schwebt darin ein kleines Kind, worunter aber nicht das leibliche Kind, sondern nur die Seele des noch nicht empfangenen Heilands zu verstehen ist. Vgl. den Artikel Kind.

Abgesehen von dem besondern Nimbus, den Gott um das Haupt trägt (ein Dreieck oder ein Kreuz im Zirkel), wird die Gottheit bezeichnet durch Sonnenstrahlen, die von diesen Nimben ausgehen, oder durch einen grossen Sonnenkreis (gloria), der Gott oder die göttlichen Personen, auch Maria mit dem Kinde umgibt, und bald in zarteren Strahlen, bald in zackigen Flammen auseinandergeht.

Die Sonne ist auch ein Sinnbild des Himmels, der reinen Lichtwelt, in der Gott und die Engel und Seligen leben. Nach der Offenbarung Johannis 21, 23. wird im neuen Jerusalem das leuchtende Lamm die Stelle der Sonne vertreten und alle Seligen in seinen ewigen Glanz einhüllen. Deshalb kommt auf Kirchenbildern zuweilen eine Sonne als Sinnbild des Himmelreichs überhaupt vor. Auf dem alten symbolenreichen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. lat.: durchdringt, nicht [zer-]bricht – nicht durch Kraft, sondern durch Tugend
  2. lat.: beschwert nicht [symbolisch für Schwangerschaft] – schmückt, beladet/beschwert nicht
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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_388.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)