Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 558.jpg

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der Erzengel Michael in riesenhafter Grösse als Vollstrecker des göttlichen Urtheils hervor, in der griechischen Kirche steht aber zwischen dem Richter und Michael noch das Kreuz, zu dessen beiden Seiten Adam und Eva knieen. Das Kreuz steht hier als Baum des Lebens an der Stelle des Erkenntnissbaumes in den Bildern des Sündenfalls, und der Sündenfall selbst wird als die erste Ursache bezeichnet, die das Weltgericht überhaupt veranlasste. Auf einem altdeutschen Bilde in der Abel’schen Sammlung in Stuttgart hält der auf dem Regenbogen thronende Gott Vater den Sohn am Kreuz vor sich, der wie auf den Kreuzigungsbildern die Sonne zur Rechten, den Mond zur Linken hat. Das ist ein Triumph des Kreuzes im Weltgericht, und der Richter selbst erscheint noch unmittelbar als der Gekreuzigte.

Michael ist gewöhnlich sehr gross, eine riesenhafte Figur in der Mitte, vor der die andern in den Hintergrund zurückschwinden. Er trägt den goldnen Harnisch mit langem Schwert und eine grosse Waage, auf deren sinkender Waagschale ein Seliger, auf deren aufsteigender ein Verdammter, gewöhnlich schon in Gesellschaft von Teufeln, sitzt. Das Sinken der Waagschale zur rechten Seite bedeutet hier immer das Uebergewicht der göttlichen Gnade, so dass der Teufel trotz seiner Gewalt doch eigentlich im Nachtheil bleibt. Vgl. die Artikel Michael und Waage. Auf Bildern der griechischen Kirche steht dagegen unter dem Heiland das Kreuz, neben dem Adam und Eva knieen, und erst unter diesem kommt Michael.

Zur Rechten des Heilands steht oder kniet die fürbittende Maria. Im Campo Santo zu Pisa sitzt sie ausnahmsweise als Mitrichterin neben dem Heiland, um die Gnade neben der Gerechtigkeit zu bezeichnen, beide in die gleiche Glorie eingehüllt und von den zwölf Aposteln umgeben. Kunstblatt 1835, Nr. 96 f. Insgemein aber beugt sie sich von der rechten Seite demüthig vor dem allein thronenden Sohne. Auf einem Bilde von Aldegrever (Berliner Museum von Kugler S. 176) ist ihr Gewand, wie auch das des ihr gegenüberstehenden

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_558.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2023)