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Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60

Vom Schmuck der heiligen Orte.
(Fortsetzung.)

 In der zweiten Periode sind die Städte Italiens, Palermo, Lucca, Florenz, Mailand, auf den Höhenpunkt der Seidenmanufaktur gekommen, so daß sie ihre moslimischen Concurrenten und Lehrmeister übertrafen. Die Seidenzeuge werden jetzt nach größerer Entwickelung der Webekunst vielfarbig, obwol auch jetzt noch in der Regel nur drei Farbennuancen hervortreten, nemlich eine dunklere, dominierende Grundfarbe des Fond, eine hellere für die Darstellung des Pflanzenornaments und eine leichte Goldbroschierung für Thierzeichnungen. Das Gewebe selbst wird leichter und zarter, die Zeichnungen beweglicher und schwungvoller und meist werden sie in Gold broschirt. – Im dritten Zeitraum erlischt der Einfluß orientalischer Vorbilder, das Bestiaire verschwindet und ein eigentümliches Pflanzenornament tritt hervor. Was die Textur (Weberei) betrifft, so herrscht das Damastgewebe vor; auch schwere Sammetstoffe mit geschnittenen Dessins machen sich geltend. Diese vielfarbigen, gothisierenden Seidengewebe sind wegen der reichen Broschierung sehr schwer und nicht geeignet, einen fließenden, wellenförmigen Faltenwurf zuzulaßen. Vom 15. Jahrhundert an beginnt das Zeitalter der Renaissance, welches sich auch in der Weberei geltend macht, aber eben so wenig zu Gunsten der Sache als in anderen Künsten. Es macht sich eine Nachahmung heidnischer Formen breit, welche nicht auf Verständnis weder der alten noch der neuen Zeit beruht, daher die Seidengewebe dieser Zeit für kirchlichen Zweck geist- und phantasielos, regellos und schwülstig erscheinen.

 In den neuesten Zeiten ist vollends aller Verstand verloren gegangen, so daß man sogar gedruckte Zeuge gebrauchte; daher nichts übrig bleibt als umzukehren und von der Vorzeit zu lernen.

(Schluß folgt.)

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60. Druck in Commission der C. H. Beck’schen Buchhandlung, Nördlingen 1859, 1960, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Correspondenzblatt_der_Diaconissen_von_Neuendettelsau_Bd02_1859.pdf/50&oldid=- (Version vom 4.9.2016)