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gezähmten Elefanten, welche sich in Indien nicht fortpflanzen, trotzdem sie sich in Ava, wo den Weibchen gestattet ist, in gewisser Ausdehnung durch die Wälder zu schweifen, wo sie also unter natürlichere Bedingungen gesetzt sind, häufig vermehren. Der Fall von verschiedenen americanischen Affen, von denen beide Geschlechter in ihrem eignen Heimathlande Jahre lang zusammengehalten worden sind und sich doch nur sehr selten oder niemals fortgepflanzt haben, ist ein noch zutreffenderes Beispiel wegen ihrer Verwandtschaft mit dem Menschen. Es ist merkwürdig, eine wie geringe Veränderung in den Lebensbedingungen häufig bei einem wilden Thiere, wenn es gefangen wird, Unfruchtbarkeit herbeiführt; und dies ist um so befremdender, als alle unsre domesticirten Thiere fruchtbarer geworden sind als sie im Naturzustande waren; einige von ihnen können den unnatürlichsten Bedingungen widerstehen, ohne dass ihre Fruchtbarkeit vermindert würde.[1] Gewisse Thiergruppen werden viel leichter als andere durch Gefangenschaft afficirt, und allgemein werden sämmtliche Arten einer und derselben Gruppe in derselben Art und Weise afficirt. Zuweilen wird aber nur eine einzige Species in einer Gruppe unfruchtbar gemacht, während es die andern nicht werden; andrerseits kann auch eine einzelne Species ihre Fruchtbarkeit behalten, während die meisten andern in der Zucht fehlschlagen. Werden die Männchen und Weibchen mancher Species in ihrem Heimathlande gefangen gehalten oder lässt man sie beinahe, aber nicht völlig frei leben, so vereinigen sie sich nie; andre verbinden sich unter gleichen Umständen häufig, produciren aber niemals Nachkommen; andre wieder bringen einige Nachkommen hervor, aber weniger als im Naturzustande; und es ist, da es auf die oben erwähnten Fälle von Menschen Bezug hat, von Wichtigkeit, zu bemerken, dass die Jungen leicht schwach und kränklich werden und gern in einem frühen Alter sterben.

Wenn man sieht, wie allgemein das Gesetz der Empfindlichkeit des Reproductionssystems gegen veränderte Lebensbedingungen ist und dass es auch für unsre nächsten Verwandten, die Quadrumanen, gilt, so kann ich kaum zweifeln, dass es auch auf den Menschen in seinem ursprünglichen Zustande Anwendung erleidet. Wenn daher Wilde irgend einer Rasse plötzlich dazu veranlasst werden, ihre Lebensgewohnheiten zu verändern, so werden sie mehr oder weniger unfruchtbar, und ihre


  1. In Bezug auf die Belege über diesen Punkt s. Variiren der Thiere und Pflanzen etc. 2. Aufl. 2. Bd. p. 127.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/262&oldid=- (Version vom 31.7.2018)