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jungen Nachkommen leiden an ihrer Gesundheit in derselben Weise und aus derselben Ursache, wie es der Elefant und der Jagdleopard in Indien, viele Affen in America und eine grosse Menge von Thieren aller Arten bei der Entfernung aus ihren natürlichen Bedingungen thun.

Wir können einsehen, woher es kommt, dass Ureinwohner, welche lange Zeit Inseln bewohnt haben und welche lange Zeit nahezu gleichförmigen Bedingungen ausgesetzt gewesen sind, von irgend welchen Veränderungen in ihren Gewohnheiten speciell afficirt werden, wie es der Fall zu sein scheint. Civilisirte Rassen können sicher Veränderungen aller Art viel besser widerstehen als Wilde; und in dieser Hinsicht sind sie domesticirten Thieren ähnlich; denn obschon dieselben zuweilen in ihrer Gesundheit leiden (wie z. B. europäische Hunde in Indien), so werden sie doch nur selten unfruchtbar, wenngleich einige wenige derartige Fälle bekannt worden sind.[1] Die Immunität civilisirter Rassen und domesticirter Thiere ist wahrscheinlich Folge des Umstandes, dass sie in grösserem Maasse variirenden Bedingungen ausgesetzt worden sind und daher sich auch mehr an solche gewöhnt haben, als die Mehrzahl wilder Thiere, dass sie früher eingewandert sind oder von Land zu Land gebracht worden sind, und dass sich verschiedene Familien oder Unterrassen gekreuzt haben. Allem Anscheine nach gibt eine Kreuzung mit civilisirten Rassen einer ursprünglichen Rasse sofort eine gewisse Immunität gegen die übeln Folgen veränderter Bedingungen. So nahm die gekreuzte Nachkommenschaft der Tahitianer und Engländer, als sie sich auf der Pitcairn-Insel niederliess, so rapid zu, dass die Insel bald übervölkert war; im Juni 1856 wurde sie nach der Norfolk-Insel übergeführt. Sie bestand dann aus 60 verheirateten Personen und 134 Kindern, eine Gesammtzahl von 194 ergebend. Hier nahm sie gleicherweise so rapid zu, dass, obgleich sechzehn von ihnen im Jahre 1859 nach Pitcairn Insel zurückkehrten, sie im Januar 1868 aus 300 Seelen bestand, wobei männliche und weibliche Individuen in genau gleichen Zahlen vorhanden waren. Was für einen Contrast bietet dieser Fall mit dem der Tasmanier dar! Die Norfolk-Insulaner vermehrten sich in nur zwölf und einem halben Jahre von 194 auf 300, während die Tasmanier sich während fünfzehn Jahren von 120 auf 46 verminderten, von welcher letzteren Zahl nur zehn Kinder waren.[2]


  1. Variiren der Thiere und Pflanzen etc. 2. Aufl. 2. Bd. S. 184.
  2. Diese Einzelnheiten sind genommen aus: „The Mutineers of the Bounty“, von Lady Belcher, 1870; und aus „Pitcairn Island“, ordered to be printed by the House of Commons, 29. May, 1863. Die folgenden Angaben über die Sandwichs-Insulaner sind aus der Honolulu-Gazette und von Mr. Coan.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/263&oldid=- (Version vom 6.5.2018)