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Prof. Faye bemerkt, dass „ein noch grösseres Ueberwiegen der Knaben angetroffen werden würde, wenn der Tod beide Geschlechter im Mutterleibe und während der Geburt im gleichen Verhältnisse träfe. Es ist aber Thatsache, dass auf je 100 todtgeborene Mädchen in mehreren Ländern von 134,6 bis 144,9 todtgeborener Knaben kommen. Ausserdem sterben auch während der ersten vier oder fünf Lebensjahre mehr Knaben als Mädchen; so starben z. B. in England während des ersten Jahres 126 Knaben auf je 100 Mädchen, – ein Verhältniss, welches sich in Frankreich noch ungünstiger herausstellt“.[1] Dr. Stockton-Hough erklärt diese Thatsachen zum Theil daraus, dass die Entwickelung der Knaben häufiger als die der Mädchen mangelhaft ist. Wir haben vorhin gesehen, dass das männliche Geschlecht variabler in der Bildung ist, als das weibliche; Abänderungen nun in wichtigen Organen werden allgemein schädlich sein. Aber die Grösse des Körpers und besonders des Kopfes, welche bei männlichen Kindern bedeutender ist als bei weiblichen, ist eine andere Ursache; die Knaben werden hiernach während der Geburt leichter verletzt. In Folge hiervon ist die Zahl der todtgebornen Knaben grösser; wie ein äusserst competenter Richter, Dr. Crichton Browne,[2] meint, leiden Knaben häufig an ihrer Gesundheit während mehrerer Jahre nach der Geburt. Als eine Folge dieses Ueberwiegens des Sterblichkeitsverhältnisses bei Knaben und des Umstandes, dass Männer im erwachsenen Alter verschiedenen Gefahren ausgesetzt sind, ebenso ihrer Neigung zum Auswandern, hat sich ergeben, dass die Frauen in allen lange bestehenden Staaten, wo statistische Erhebungen


  1. British and Foreign Medico-Chirurgical Review, April 1867, p. 343. D. Stark bemerkt gleichfalls (Tenth Annual Report of Births, Deaths etc. in Scotland, 1867, p. XXVIII), dass „diese Beispiele hinreichen dürften, um zu zeigen, dass beinahe auf jeder Altersstufe die Männer in Schottland dem Sterben mehr unterliegen und ein höheres Sterblichkeitsverhältniss zeigen als die Frauen. Die Thatsache indessen, dass sich diese Eigenthümlichkeit am stärksten in der Periode der Kindheit geltend macht, wo doch Anzug, Nahrung und allgemeine Behandlung beider Geschlechter gleich sind, scheint zu beweisen, dass das höhere Sterblichkeitsverhältniss des männlichen Geschlechts eine vom Geschlecht allein abhängige, eingeprägte, natürliche und constitutionelle Eigenthümlichkeit ist“.
  2. West Riding Lunatic Asylum Reports, Vol. I, 1871, p. 8. Sir J. Simpson hat nachgewiesen, dass der Kopf männlicher Kinder den der weiblichen um drei Achtel Zoll im Umfang und um ein Achtel im Querdurchmesser übertrifft. Quetelet hat gezeigt, dass das Weib kleiner geboren wird als der Mann, s. Dr. Duncan, Fecundity, Fertility, Sterility. 1871, p. 387.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/334&oldid=- (Version vom 6.3.2019)