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seiner Ansicht nach einen Zweifel ausschliessende, Belege in Bezug auf den Menschen und gewisse domesticirte Thiere vorgebracht, um zu zeigen, dass dies ein bedeutungsvoller, wenn auch nicht der einzige Factor bei dem Resultate sei. Ferner glaubte man, dass die Periode der Befruchtung im Verhältniss zum Zustande des Weibchens die wirksame Ursache sei; neuere Beobachtungen erschüttern aber diese Ansicht. Nach Dr. Stockton-Hough[1] äussert die Jahreszeit, die Armuth oder Wohlhabenheit der Eltern, das Wohnen auf dem Lande oder in Städten, das Kreuzen mit fremden Einwanderern u. s. w., alles dies einen Einfluss auf das Verhältniss der Geschlechter zu einander. In Bezug auf den Menschen vermuthete man ferner, dass Polygamie die Geburt einer grösseren Proportion von Mädchen veranlasse; aber Dr. Campbell[2] hat diesem Gegenstande in den Harems von Siam eingehende Aufmerksamkeit gewidmet und ist zu dem Schlusse gelangt, dass das Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Geburten dasselbe ist wie bei monogamen Verbindungen. Kaum irgend ein Thier ist in solchem Maasse polygam gemacht worden als das Englische Rennpferd, und doch werden wir sofort sehen, dass deren männliche und weibliche Nachkommen fast genau gleiche Zahlen darbieten. Ich will nun die Thatsachen mittheilen, welche ich in Bezug auf die proportionalen Zahlen der Geschlechter bei verschiedenen Thieren gesammelt habe, und will dann kurz erörtern, in wie weit bei Bestimmung des Resultats Zuchtwahl in’s Spiel gekommen ist.

Pferde. – Herr Tegetmeier hat die Güte gehabt, aus dem »Racing Calendar« die Geburten von Rennpferden während einer Periode von vierundzwanzig Jahren, nämlich von 1846 bis 1867 für mich in Tabellen zu bringen; das Jahr 1849 ist weggelassen, da in diesem Jahre die Erhebungen nicht veröffentlicht wurden. Die Totalzahl aller Geburten betrug 25,560,[3] wovon 12,768 männliche und 12,797 weibliche waren, oder die männlichen standen im Verhältniss von 99,7 zu 100 weiblichen. Da diese Zahlen ziemlich gross sind und aus allen Theilen von England während


  1. Social Science Associat. of Philadelphia. 1874.
  2. Anthropological Review, April, 1870, p. CVIII.
  3. Während elf Jahren ist auch die Zahl der Stuten verzeichnet worden, welche sich als unfruchtbar herausstellten oder welche ihre Füllen zu früh gebaren; und dabei verdient es Beachtung, da es zeigt, wie unfruchtbar diese sehr gut genährten, vielmehr noch in enger Inzucht vermehrten Thiere geworden sind, dass nicht viel unter einem Drittel der Stuten keine lebenden Füllen producirten. So wurden während des Jahres 1866 809 Hengst- und 816 Stutenfüllen geboren und 743 Stuten brachten keine Nachkommen hervor. Während des Jahres 1867 wurden 836 Hengst- und 902 Stutenfüllen geboren und 794 Stuten schlugen fehl.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/336&oldid=- (Version vom 31.7.2018)