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Psocus können Tausende von Weibchen ohne ein einziges Männchen gesammelt werden, während bei andern Arten der nämlichen Gattung beide Geschlechter häufig sind.[1] In England hat Mr. MacLachlan Hunderte der weiblichen Apatania muliebris gesammelt, aber das Männchen niemals gesehen; und von Boreus hyemalis sind hier nur vier oder fünf Männchen gesehen worden.[2] Bei den meisten dieser Arten (ausgenommen die Tenthredinen) ist kein Grund zur Vermuthung vorhanden, dass die Weibchen parthenogenetisch fortpflanzen; und da sehen wir denn, wie unwissend wir über die Ursache der offenbaren Verschiedenheit der proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter sind.

Was die anderen Classen der Arthropoden betrifft, so bin ich noch weniger im Stande gewesen, mir Information zu verschaffen. In Bezug auf Spinnen schreibt mir Mr. Blackwall, welcher dieser Classe viele Jahre hindurch sorgfältige Aufmerksamkeit gewidmet hat, dass die Männchen ihrer herumschweifenderen Lebensweise wegen häufiger gesehen werden und daher zahlreicher zu sein scheinen. Bei einigen wenigen Species ist dies factisch der Fall; er erwähnt aber mehrere Arten aus sechs Gattungen, bei denen die Weibchen viel zahlreicher zu sein scheinen als die Männchen.[3] Die im Vergleiche mit der der Weibchen geringe Grösse der Männchen, welche zuweilen bis zu einem extremen Grade getrieben ist, und ihr äusserst verschiedenes Aussehen kann wohl in einigen Fällen ihre Seltenheit in den Sammlungen erklären.[4]

Einige der niederen Crustaceen sind im Stande ihre Art geschlechtslos fortzupflanzen und dies wird wohl die äusserste Seltenheit der Männchen erklären. So untersuchte von Siebold[5] sorgfältig nicht weniger als 13,000 Exemplare von Apus von einundzwanzig Fundorten, und unter diesen fand er nur 319 Männchen. Bei einigen anderen Formen (so bei Tanais und Cypris) ist Grund zur Annahme vorhanden, wie mir Fritz Müller mittheilt, dass das Männchen viel kurzlebiger ist als das Weibchen, welcher Umstand, vorausgesetzt dass die beiden Geschlechter anfangs in gleicher Zahl vorhanden sind, die Seltenheit der Männchen erklären würde. Auf der anderen Seite hat der nämliche Naturforscher an den Küsten von Brasilien ausnahmslos bei weitem mehr Männchen als Weibchen von den Diastyliden und Cypridinen gefangen: so waren unter 63 Exemplaren einer Species der letzten Gattung, die er an einem Tage gefangen hatte, 57 Männchen; er vermuthet aber, dass dieses Ueberwiegen vielleicht Folge irgend einer unbekannten Verschiedenheit in der Lebensweise der beiden Geschlechter sein mag. Bei einer der höheren Brasilianischen Krabben, nämlich einem Gelasimus, fand Fritz Müller die Männchen viel zahlreicher als die Weibchen. Nach der reichen Erfahrung des


  1. Observations on North American Neuroptera by H. Hagen and R. D. Walsh. in: Proceed. Entomol. Soc. Philadelphia, Oct. 1863, p. 168, 223, 239.
  2. Proceed. Entomol. Soc. London, Febr. 17, 1868.
  3. Eine andere bedeutende Autorität in Bezug auf diese Classe. Prof. Thorell in Upsala (On European Spiders, 1869-70. Part. I, p. 205) äussert sich so, als wenn weibliche Spinnen im Allgemeinen häufiger wären als die männlichen.
  4. s. über diesen Gegenstand Mr. Pickard-Cambridge citirt in Quaterly Journal of Science. 1868. p. 429.
  5. Beiträge zur Parthenogenesis, p. 174.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/348&oldid=- (Version vom 31.7.2018)