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Sparassus zuerst dem Weibchen ähnlich und erhält seine ihm eigenthümlichen Farben erst wenn es nahezu erwachsen ist. Spinnen besitzen sehr scharfe Sinne und zeigen auch viel Intelligenz. Wie allgemein bekannt ist, zeigen die Weibchen oft die stärkste Affection für ihre Eier, welche sie in ein seidenes Gewebe eingehüllt mit sich herumtragen. Die Männchen suchen die Weibchen mit Eifer auf, und Canestrini und Andere haben gesehen, wie Männchen um den Besitz derselben kämpften. Derselbe Schriftsteller theilt mit, dass die Vereinigung der beiden Geschlechter in ungefähr zwanzig Species beobachtet worden ist; er behauptet positiv, dass das Weibchen einige der Männchen, welche ihm den Hof machen, zurückweist, ihnen mit geöffneten Mandibeln droht und zuletzt nach langem Zögern das Auserwählte annimmt. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen können wir mit einiger Zuversicht annehmen, dass die gut ausgesprochenen Verschiedenheiten in der Farbe zwischen den Geschlechtern gewisser Arten das Resultat einer geschlechtlichen Zuchtwahl sind: doch fehlt uns noch die beste Form des Beweises, die Entfaltung der Zierathen Seitens des Männchens. Nach der ausserordentlichen Variabilität der Farbe bei dem Männchen einiger Species, so z. B. bei Theridion lineatum möchte es scheinen, als wenn die Sexualcharactere der Männchen noch nicht gut fixirt worden seien. Aus der Thatsache, dass die Männchen gewisser Species zwei, in der Grösse und Länge ihrer Kinnladen von einander abweichende Formen darbieten, folgert Canestrini dasselbe; es erinnert uns dies an die oben erwähnten Fälle dimorpher Crustaceen.

Das Männchen ist allgemein viel kleiner als das Weibchen, zuweilen in einem ausserordentlichen Grade;[1] es muss äusserst vorsichtig sein bei seinen Annäherungen, da das Weibchen oft seine Sprödigkeit zu einer gefährlichen Höhe treibt. De Geer sah ein Männchen, welches „mitten in seinen vorbereitenden Liebkosungen von dem Gegenstande seiner Aufmerksamkeit ergriffen, in ein Gewebe eingewickelt


  1. Aug. Vinson theilt ein gutes Beispiel von der geringen Grösse des Männchens bei Epeira nigra mit (Aranéides des Iles de la Réunion, pl. VI, fig 1 u. 2). Wie ich hinzufügen will, ist bei dieser Species das Männchen braun, das Weibchen schwarz mit roth gebänderten Füssen. Andere selbst noch auffallendere Fälle von Ungleichheit der Grösse zwischen beiden Geschlechtern sind mitgetheilt worden in: Quarterly Journal of Science. 1868. July, p. 429. Ich habe aber die Originalberichte nicht gesehen.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/371&oldid=- (Version vom 31.7.2018)