als der individuelle Schmetterling schöner ist, auch die zu seiner Metamorphose erforderliche Zeit länger ist; und aus diesem Grund geht dem Weibchen, welches das grössere und schwerere Insect ist, weil es seine zahlreichen Eier mit sich herumzutragen hat, das Männchen voraus, welches kleiner ist und weniger zu zeitigen hat“.[1] Da nun die meisten Insecten kurzlebig und vielen Gefahren ausgesetzt sind, so wird es offenbar für das Weibchen von Vortheil sein, sobald als möglich befruchtet zu werden. Dieser Zweck wird dadurch erreicht werden, dass die Männchen zuerst in grosser Anzahl reif werden, bereit der Ankunft der Weibchen zu warten, und dies wird natürlich wiederum, wie Mr. A. R. Wallace bemerkt hat,[2] eine Folge der natürlichen Zuchtwahl sein; denn die kleineren Männchen werden zuerst die Reife erlangen und werden daher eine grosse Zahl von Nachkommen hervorbringen, welche die verkümmerte Grösse ihrer männlichen Erzeuger erben werden, während die grösseren Männchen, weil sie später reif werden, weniger Nachkommen hinterlassen werden.
Von der Regel, dass die männlichen Insecten kleiner sind als die weiblichen, gibt es indess Ausnahmen und einige dieser Ausnahmen sind auch verständlich. Grösse und Körperkraft werden für Männchen von Vortheil sein, welche um den Besitz der Weibchen kämpfen, und in diesem Falle, wie z. B. bei dem Hirschkäfer (Lucanus), sind die Männchen grösser als die Weibchen. Es gibt indess andere Käfer, von denen man nicht weiss, dass sie mit einander kämpfen, und von denen doch die Männchen die Weibchen an Grösse übertreffen; die Bedeutung dieser Thatsache ist unbekannt. Aber bei einigen dieser Fälle, so bei den ungeheuren Formen der Dynastes und Megasoma, können wir wenigstens sehen, dass keine Nothwendigkeit vorliegt, dass die Männchen kleiner als die Weibchen sein müssten, damit sie vor ihnen den Reifezustand erreichen; denn diese Käfer sind nicht kurzlebig und es würde demnach auch hinreichende Zeit zum Paaren der beiden Geschlechter vorhanden sein. So sind ferner männliche Libelluliden zuweilen nachweisbar grösser und niemals kleiner als die weiblichen,[3]
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/379&oldid=- (Version vom 31.7.2018)