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und wie Mr. MacLachlan glaubt, paaren sie sich allgemein mit den Weibchen nicht eher, als bis eine Woche oder vierzehn Tage verflossen sind und bis sie ihre eigenthümlichen männlichen Färbungen erhalten haben. Aber den merkwürdigsten Fall, welcher zeigt, von welch complicirten und leicht zu übersehenden Beziehungen ein so unbedeutender Character, wie eine Verschiedenheit in der Grösse zwischen den beiden Geschlechtern, abhängen kann, bieten die mit Stacheln versehenen Hymenoptern dar. Mr. Fred. Smith theilt mir mit, dass fast in dieser ganzen grossen Gruppe die Männchen in Uebereinstimmung mit der allgemeinen Regel kleiner als die Weibchen sind und ungefähr eine Woche früher als diese ausschlüpfen; aber unter den Bienen sind die Männchen von Apis mellifica, Anthidium manicatum und Anthophora acervorum, und unter den grabenden Hymenoptern die Männchen der Methoca ichneumonides grösser als die Weibchen. Die Erklärung dieser Anomalie liegt darin, dass bei diesen Species ein Hochzeitsflug absolut nothwendig ist und dass die Männchen grösserer Kraft und bedeutenderer Grösse bedürfen, um die Weibchen durch die Luft zu führen. Die bedeutendere Grösse ist hier im Widerspruche mit der gewöhnlichen Beziehung zwischen der Grösse und der Entwickelungsperiode erlangt worden; denn trotzdem die Männchen grösser sind, schlüpfen sie doch vor den kleineren Weibchen aus.

Wir wollen nun die verschiedenen Gattungen durchgehen und dabei solche Thatsachen auswählen, wie sie uns besonders hier angehen. Die Lepidoptern (Tag- und Nachtschmetterlinge) sollen für ein besonderes Capitel aufgespart bleiben.

Ordnung: Thysanura. — Die Glieder dieser Ordnung sind für ihre Classe niedrig organisirt. Sie sind flügellose, trüb gefärbte, sehr kleine Insecten mit hässlichen, beinahe misförmigen Köpfen und Körpern. Die Geschlechter sind nicht von einander verschieden; sie bieten aber eine interessante Thatsache dar dadurch, dass sie zeigen, wie die Männchen selbst auf einer tiefen Stufe des Thierreichs den Weibchen eifrig den Hof machen können. Sir J. Lubbock[1] beschreibt den Sminthurus luteus und sagt: „Es ist sehr unterhaltend, diese kleinen Wesen mit einander coquettiren zu sehen. Das Männchen, welches viel kleiner als das Weibchen ist, läuft um dasselbe her; sie stossen


  1. Transact. Linnean Soc. Vol. XXVI. 1868, p. 296.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/380&oldid=- (Version vom 31.7.2018)