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Vorderflügeln und in der Grösse sowohl des weissen Flecks als des glänzenden carmoisinrothen Streifens auf den Hinterflügeln, so dass zwischen den am meisten und am wenigsten glänzend gefärbten Männchen ein grosser Unterschied bestand. Das Männchen von Papilio Sesostris ist viel weniger schön als Papilio Childrenae. Auch dieses variirt etwas in der Grösse des grünen Flecks auf den Vorderflügeln und in dem gelegentlichen Auftreten eines kleinen carmoisinrothen Streifens auf den Hinterflügeln, der, wie es scheinen möchte, von dem Weibchen seiner eigenen Species entlehnt ist. Denn die Weibchen dieser und vieler anderen Species der Aeneas-Gruppe besitzen diesen carmoisinen Streifen. Es fand sich daher zwischen den glänzendsten Exemplaren von P. Sesostris und den wenigst glänzenden von P. Childrenae nur eine kleine Lücke; und offenbar lag, soweit blosse Variabilität in Betracht kam, keine Schwierigkeit vor, mittelst der Zuchtwahl die Schönheit der Species beständig zu erhöhen. Hier ist die Variabilität fast ganz auf das männliche Geschlecht beschränkt; aber Mr. Wallace und Mr. Bates haben gezeigt,[1] dass die Weibchen einiger Species ausserordentlich variabel sind, während die Männchen nahezu constant bleiben. In einem späteren Capitel werde ich zu zeigen Gelegenheit haben, dass die schönen, auf den Flügeln vieler Lepidoptern sich findenden Augenflecke oder Ocellen ausserordentlich variabel sind. Ich will hier hinzufügen, dass diese Ocellen nach der Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl eine Schwierigkeit darbieten; denn obschon sie uns so ornamental erscheinen, sind sie niemals in dem einen Geschlecht vorhanden und fehlen in dem andern, auch sind sie niemals in den beiden Geschlechtern sehr verschieden.[2] Diese Thatsache ist für jetzt unerklärlich; sollte aber später gefunden werden, dass die Bildung eines Ocellus Folge irgend einer, in einer sehr frühen Entwickelungsperiode auftretenden Veränderung der Gewebe der Flügel wäre, so dürfen wir nach dem, was wir von den Gesetzen der Vererbung wissen, erwarten, dass sie auf beide Geschlechter überliefert


  1. Wallace, on the Papilionidae of the Malayan Region in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 8, 36. Ein auffallendes Vorkommen einer seltenen, ganz streng zwischen zwei andern gut markirten Varietäten intermediären Varietät ist von Mr. Wallace beschrieben worden, s. auch Mr. Bates in: Proceed. Entomolog. Soc., Nov. 19, 1866, p. XL.
  2. Mr. Bates hat die Güte gehabt, diesen Gegenstand vor die entomologische Gesellschaft zu bringen; ich habe darüber von mehreren Entomologen Antworten erhalten.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/432&oldid=- (Version vom 31.7.2018)